Forschung

Mensch und Maschine über unser Gehirn vereint

(c) TUG/Lunghammer
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Die BCI-Technik übersetzt Gedanken in Bewegung. Gernot Müller-Putz verfeinert Handgriffe von Roboterarmen durch die Auswertung von EEG-Kurven.

Das jüngste Video in seinem YouTube-Channel zeigt Gernot Müller-Putz vor dem Grazer Uhrturm und dem Biomedical-Engineering-Gebäude der TU Graz. Im Clip wirbt der Leiter des Instituts für Neural Engineering neue Leute im Labor für Brain-Computer-Interfaces (BCI) an. Die TU Graz ist ein Vorreiter der BCI-Technologie, die Gedanken in Bewegung umsetzt. Die Verbindung der Gehirnaktivität mit Roboter-Greifarmen, Cursor-Bewegungen oder körpereigenen Muskeln fasziniert Müller-Putz seit einem Projekt bei Gert Pfurtscheller in den späten 1990er-Jahren.

Als es 2003 gelang, dass ein gelähmter Mann durch die BCI-Technik essen und trinken konnte, ging die Schlagzeile um die Welt. „Bei Brain-Computer-Interfaces wird die Gehirnaktivität in Steuersignale umgewandelt“, erklärt Müller-Putz. Ob das Signal aus dem Gehirn einen Cursor auf dem Computer lenkt, einen Muskel im gelähmten Körper reizt oder einen Maschinenarm steuert, ist frei wählbar.

Ein großes ERC-Projekt des Europäischen Forschungsrats, das Müller-Putz leitete, verfeinerte die Entschlüsselung der Gehirnsignale von Armbewegungen. „Feel Your Reach“ hieß das Motto für die bessere Steuerung von Neuroprothesen und robotischen Armen. Der Signalgeber ist stets das menschliche Hirn, die Testpersonen der Forschung sind die Endnutzer: Menschen mit hochgradiger Querschnittslähmung, die mit fast völliger Bewegungslosigkeit einhergeht. Die Personen bekommen eine EEG-Haube (Elektroenzephalogramm), deren Elektroden an der Kopfoberfläche Spannungsschwankungen messen: Diese entstehen, wenn das Gehirn arbeitet. Was für Laien wie ein Haufen wilder Wellen aussieht, birgt riesige Informationsmengen zu den Gedankengängen der Testpersonen. „Wir hätten nie gedacht, wie schnell der Fortschritt bei der Auswertung dieser EEG-Signale klappt“, sagt Müller-Putz. Heute können die Systeme feinste Unterschiede detektieren, wenn die Menschen an die Bewegung ihrer Hand denken. Der reine Gedanke an das Öffnen der Hand, das Drehen der Handfläche oder das Formen eines Griffs liefert Signale, die den Roboterarm besser zugreifen lassen. „More Grasp“, also „festerer Halt“, hieß das große EU-Projekt der TU Graz, das dies analysierte.

„Leider finden wir dann selten Firmen, die aus unseren Prototypen ein marktfähiges Produkt machen.“ Ihm ist in der Grundlagenforschung auch wichtig, den betroffenen Personen nicht zu große Hoffnung zu machen: „Unseren Endnutzerinnen und -nutzern ist klar, dass die Ergebnisse aus diesen Studien vor allem den künftigen Generationen helfen werden.“

Turbulenzen im Segelflug ausgleichen

Der gebürtige Oberösterreicher, der seit dem Studium in Graz forscht, hat vor einigen Jahren das Segelfliegen als neue Leidenschaft entdeckt. In dem YouTube-Channel „Gernot Mueller-Putz“ zeigt er vor, dass Neurowissenschaft und Segelflug auch Gemeinsamkeiten haben: Bei beiden kommt es manchmal zu Turbulenzen, die man geschickt ausgleichen muss.

Das Voting für „Österreicher:innen des Jahres“ finden Sie unter: www.diepresse.com/austria22

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