Kino & Debatte

Ein Status-Update von Ulrich Seidl zur „Sparta“-Premiere

Laut „Spiegel“ fühlen sich die Eltern mancher Kinderdarsteller aus Ulrich Seidls neuem Film „Sparta“ vom Regisseur „betrogen“. Am Sonntag teilte Seidl in einer Botschaft zur Premiere mit, er weile in Rumänien, wo er „den Film den Eltern und Kindern, die im Film sind, gezeigt“ habe.

Am Sonntagabend ist der Kursaal in San Sebastián bis fast auf den letzten Platz besetzt, als das Saallicht gedimmt wird und eine Moderatorin – allein – auf die Bühne tritt. Nach zwei Pressevorführungen am Vormittag ist es die offizielle Weltpremiere von Ulrich Seidls „Sparta“, der selbst nicht angereist ist. Tags zuvor hatte er mitgeteilt, er befürchte, die Uraufführung seiner neuen Regiearbeit, die beim Internationalen Filmfestival im baskischen Küstenort im Wettbewerb läuft, durch seine Anwesenheit zu „überschatten“.

Stattdessen verliest die Moderatorin ein Grußwort Seidls ans Publikum. Zunächst auf Baskisch, dann auf Spanisch, schließlich auf Englisch – wie es tags darauf in der Festivalzeitung abgedruckt wird: „Ich bin sehr glücklich, dass Sie heute Abend hier sind – bei der Weltpremiere meines Films ,Sparta‘ – und ich bin auch ein wenig traurig, dass ich nicht bei Ihnen bin. Ich bin im Moment in Rumänien, wo ich den Film den Eltern und Kindern, die im Film sind, gezeigt habe. Festivalleiter José Luis Rebordino hat ,Sparta‘ von Anfang an unterstützt. Für seine unerschütterliche Haltung bin ich ihm sehr dankbar. Der Film steht nun für sich selbst. Ich wünsche Ihnen eine gute Vorführung und hoffe sehr, zu einem anderen Zeitpunkt zum Festival zu kommen und meinen tiefen Respekt und Dank persönlich erweisen zu können.“

Nach jeder Version der Botschaft gibt es einen kurzen, wohlwollenden Applaus. Von Irritation angesichts dieses ungewöhnlichen Vorgangs ist nichts zu bemerken. Das Publikum gibt sich gelassen. Wie zuvor die Festivalleitung selbst, die, trotz medialer Debatten nach Vorwürfen gegen den „Sparta“-Dreh im „Spiegel“ und im „Falter“, an der Vorführung des Films festgehalten hat.

Dann geht das Licht aus, der Samtvorhang öffnet sich. Im Saal herrscht konzentrierte Stille, auch während der nächsten knapp 100 Minuten. Als schließlich der Abspann läuft, dauert es ein paar Sekunden, ähnlich wie bei der ersten Pressevorführung am frühen Morgen. Dann fängt das Publikum an zu applaudieren, kurz und höflich. Keineswegs mit der in manchen Medien kolportierten Begeisterung, oder gar mit stehenden Ovationen. Aber auch ohne ersichtliche Unmutsbekundungen.

Kritiken meiden voreilige Verurteilung

Ein Blick in die spanische Presse am nächsten Morgen bestärkt den Eindruck, dass „Sparta“ hier vorrangig als Kunstwerk gewürdigt wird. Die ungeklärten Produktionsumstände werden in ihren Kontext gesetzt, ohne sich im Spekulativen zu verlieren oder voreilig zu verurteilen. Neben der „erzählerischen Subtilität“ („ABC“) und der „genauen Beobachtung des Verhaltens eines gequälten Typen“ („La Vanguardia“) wird in den Kritiken mehrfach auf die Gewalt und Gleichgültigkeit der Vaterfiguren verwiesen, der die Kinder im Film ausgesetzt sind.

Denn das ist eine Qualität von Seidls Film: Wie er das innere Ringen eines Pädophilen mit den dunklen Prägungen zweier Elterngenerationen verschränkt – jener der Väter der rumänischen Buben und der des greisen Vaters der Hauptfigur (gespielt vom 2017 verstorbenen Hans-Michael Rehberg). Im Altersheim der Demenz verfallen, singt dieser Soldatenlieder und zitiert Nazireden. Auch darüber wird noch zu reden sein, abseits der derzeit dominierenden Debatte.

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