Am Wochenende gingen zahlreiche Menschen in Österreich auf die Straße. Sie fordern mehr Maßnahmen gegen die Teuerung.
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10,6 Prozent mehr Gehalt: Überzogen, unvernünftig – oder gerecht?

Die Inflation galoppiert davon, die Gewerkschaften stellen hohe Forderungen. Wie stehen Sie dazu? Und: Was ist eigentlich ein gerechter Lohn? Diskutieren Sie mit!

Die richtungsweisenden Lohnverhandlungen der Metaller starten mit einer hohen Forderung: 10,6 Prozent mehr Lohn will die Gewerkschaft. „Unvernünftig und überzogen“ nannten die Arbeitgeber das in einer ersten Reaktion. Allerdings ist auch die Inflationsrate ausgesprochen hoch - und kein Ende des Anstiegs ist in Sicht. Experten gehen davon aus, dass die Teuerung spätestens bis zum Frühling zweistellige Höhen erreichen wird. Einen Überblick gibt „Presse"-Arbeitsmarktexpertin Jeannine Hierländer.

Hierländer hat auch mit beiden Seiten gesprochen: „Die Menschen kämpfen um ihre Existenz“, sagte Gewerkschafter Rainer Wimmer im Interview. Man werde sicher nicht unter der Inflationsrate abschließen. Arbeitgebersprecher Christian Knill meinte wiederum, die Unternehmen können die Kaufkraft nicht allein sichern: „Es kann nicht immer nach oben gehen. Es geht auch darum, die Jobs und den Standort abzusichern. Da müssen alle zusammenhalten."

Laut Prognosen dürften die Reallöhne heuer um fast vier Prozent sinken. Das wäre der größte Kaufkraftverlust der unselbstständig Beschäftigten seit den 1960er-Jahren, schreibt das gewerkschaftsnahe Momentum Institut unter Berufung auf eine Berechnung der EU-Kommission.

Warum „der Kuchen kleiner ist als gedacht“, erklärt indes Wifo-Chef Gabriel Felbermayr in einem Gastkommentar. Das Bruttoinlandsprodukt in Österreich wächst zwar um vier Prozent, eine Anpassung der Löhne an die Inflation ohne Belastung der Unternehmen sei aber nur dann möglich, wenn auch die Produktivität steigt. Felbermayr ruft zudem die Abschaffung der kalten Progression ins Gedächtnis: Dadurch „bleibt den Arbeitnehmern netto auch wirklich in der Tasche, was die Tarifpartner vorher brutto ausverhandelt haben."

Wir erinnern uns: ÖVP und Grüne haben das Ende der kalten Progression beschlossen, ab 1. Jänner gilt eine entsprechende Verordnung. Bislang rutschen manche Steuerzahler bei einer Lohnerhöhung nämlich in höhere Tarifstufen und zahlen dann einen höheren Steuersatz. Um das zu verhindern, werden die Steuergrenzen künftig jedes Jahr um zwei Drittel der jeweiligen Inflation angehoben. Mehr dazu gibt es hier von Thomas Prior.

„Presse"-Wirtschaftsressortleiter Gerhard Hofer geht der Frage nach, wie hoch die Gefahr einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale ist. So fürchten manche Ökonomen, dass sich die Teuerung verselbstständigen könnte, falls die Lohnrunde zu hoch ausfällt. Für „Einmalzahlungen in Form von abgabefreien Teuerungsprämien“ - zusätzlich zur Lohnerhöhung - argumentieren daher die Experten der unternehmerfreundlichen Agenda Austria.

Mit jenen, die am Wochenende in Wien und anderswo auf die Straße gingen, werden sie sich wohl nicht einig: In neuen Bundesländern rief der Gewerkschaftsbund zu Demonstrationen auf. Gegen die Teuerung und für mehr Unterstützung durch Türkis-Grün. Jenen, die Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen fordern, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, richtete ÖGB-Chef Wolfgang Katzian in seiner Ansprache aus: „Haut euch über die Häuser!“

(sk)

Diskutieren Sie mit: Wie hoch dürfen die Gehaltserhöhungen heuer ausfallen? Welche Alternativen gibt es? Und: Was ist eigentlich ein gerechter Lohn?

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