Forschung

Mikroplastik: Und zum Nachtisch die Kreditkarte

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Reifen(c) dpa/dpaweb (Rainer Jensen)
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Mikroplastik ist überall, auch in aller Munde. Der menschliche Organismus ist voller Kunststoffe. Eine Fachtagung in Wien zeigt, dass derzeit völlig unklar ist, wie das Problem in den Griff zu bekommen ist.

Es ist bei weitem noch nicht die volle Tragweite erkannt, aber schon jetzt besorgniserregend, was bekannt ist: Auf diesen Nenner lassen sich die Beiträge bringen, mit denen am Dienstag Experten auf einer Fachtagung des Umweltbundesamts den Stand des Wissens zusammengefasst haben.

Bis 2025 läuft ein Forschungsprogramm unter anderem an der Medizinischen Universität Wien, das mehr Daten und Fakten bringen soll, wie schädlich Mikroplastik für den Menschen ist. Dass winzig kleine Partikel unterschiedlichster Plastikfraktionen in den Organismus vordringen, ist nachgewiesen. Was sie anrichten, nicht. Diese Frage steht im Mittelpunkt der Forschungen von Lukas Kenner, Pathologe für Tiere und Menschen, und Wolfgang Wadsak, Chemiker. Beide sind Professoren an der Med-Uni Wien.

Sie untersuchen, welche Folgen das Mikroplastik hat. Sie glauben, erste Antworten in Tierversuchen gefunden zu haben: Festgestellt wurden vermehrte Entzündungen des Darms und eine höhere Zahl von Makrophagen (Zellen des Immunsystems), wenn mehr Mikroplastik festzustellen ist. Ob das auch bedeutet, dass Mikroplastik die Bildung von Tumoren beschleunigt bzw. erhöht, ist auch im Tierversuch noch nicht abgesichert. Für die beiden Forscher ist jedenfalls klar, dass Mikroplastik, wenn es nur einmal klein genug ist, auch ins Blut übergeht, und damit auch in jedes Organ vordringen kann, auch ins Gehirn.

Wieviel Kunststoff nimmt der Mensch auf? Im Durchschnitt etwa ein Viertelkilo pro Jahr – so viel, als würde man Woche um Woche eine Kreditkarte essen.

Dünne Datenbasis

Die diesbezüglichen Forschungen sind ein zartes Pflänzlein, nicht einmal zehn Jahre alt. „Das ist natürlich eine Katastrophe“, meinen die beiden Forscher unisono, „wenn man bedenkt, dass Kunststoffe seit den 1950er Jahren in die Umwelt gesetzt werden.“

Die medizinische Forschung auf diesem Gebiet ist nicht der einzige weiße Fleck: Auch das sonstige Wissen um Kunststoffe hat ausgedehnte Lücken: Helene Walch und Romana Hornek-Gausterer, Forscher am Umweltbundesamt, arbeiten daran, dass sich die Datenlage verbessert – die ist jedoch bisher zumindest lückenhaft. Das beginnt schon mit den Messmethoden und Auswertungen, geht weiter über die eingesetzte Software bis hin zur Standardisierung der Probennahme.

Derzeit ist es jedenfalls zu früh, einen „Mikroplastik-Atlas“ zu erstellen, auf dem ersichtlich ist, wie viel Kunststoff wo und in welchen Konzentrationen vorhanden ist. Gewiss ist nur: Plastik ist überall, auch dort, wo dies völlig unerklärlich ist – etwa in der Arktis, Antarktis oder auch in Nationalparks.

Woher diese Umweltlast kommt, kann recht gut beantwortet werden: Bekannt ist, dass Plastikverpackungen einen Gutteil des Problems ausmachen, allerdings sind die Anstriche von Häusern ein mindestens ebenso großer Faktor, ebenso wie der Abrieb von Autoreifen.

Auf EU-Ebene sind Regeln in Vorbereitung, allerdings werden sie das Problem nicht wirklich lösen können – dazu ist ztzviel Plastik im Umlauf und es wird zuviel Kunststoff produziert.

In Österreich ist ein Aktionsplan in Geltung, der fünf Ziele anvisiert und bis 2025 umgesetzt werden soll:

  • Stärkung der Datenlage, Forschung und Innovation,
  • effektive Umsetzung und Weiterentwicklung der Regulierung,
  • Bewusstseinsbildung im Bereich Öffentlichkeit und Schulen,
  • freiwillige Maßnahmen sowie
  • Maßnahmen auf globaler Ebene

Beim Verpackungsmüll wird in Österreich ab 2025 ein Pfand auf Einwegverpackungen geben – eine derartige Regelung ist allerdings 1990 gescheitert. Die Reparatur sollte 35 Jahre auf sich warten lassen.

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