Federführend

Zu Besuch im „Montblanc Haus“ in Hamburg

Kalligrafie wird hier großgeschrieben, und zwar mit edlen Füllfederhaltern.

„Rouge et Noir“, da denkt der gelernte Romanist erst in zweiter Linie an einen Casinobesuch, zuvor noch an Stendhals Roman mit beinah exakt demselben Titel („Le Rouge et le Noir“, 1830). Die Assoziation passt auch, wenn sich beim Eintauchen in die Firmengeschichte von Montblanc, Spezialist für edle Schreibwaren, erweist, dass ein Modell dieses Namens 1908 federführend für das weitere Geschick des in Hamburg ansässigen Unternehmens wurde. Literatur, Autografen, Kalligrafie, Schreibkultur: All dies wird groß­geschrieben bei Montblanc, wie sich seit vergangenem Frühjahr auch in einem eigens eingerichteten, großzügig angelegten Firmenmuseum erschließt.

Dem Publikum werden neben Details aus der Firmengeschichte auch viele Aspekte des Schreibens von Hand nähergebracht.
Dem Publikum werden neben Details aus der Firmengeschichte auch viele Aspekte des Schreibens von Hand nähergebracht. Daniel Schäfer

Stolz wie ein Gebirge

Den Ausgangspunkt der Historie stellt die Gründung einer zunächst in Berlin ansässigen Firma dar: Simplo hieß sie, und sie versprach zuverlässiges Schreibvergnügen ohne Schnickschnack – der Name war also Programm. 1908 brachte die Marke ihr richtungsweisendes Modell „Rouge et Noir“ heraus, zwei Jahre später folgte das Modell „Montblanc“. Auf Werbesujets aus jener Zeit ragt der Füllfederhalter stolz aus einem Wiesengrund empor, im Hintergrund ist das Mont-Blanc-Massiv zu erkennen: „Montblanc, zwei Könige!“ verheißt die beigefügte Aufschrift stolz.

1908 lancierte die Firma Simplo eine Produktlinie mit französischem Namen. 1910 folgte der erste „Montblanc“, der später den Markennamen ersetzte.
1908 lancierte die Firma Simplo eine Produktlinie mit französischem Namen. 1910 folgte der erste „Montblanc“, der später den Markennamen ersetzte. Daniel Schäfer

Das sternförmige Logo, das seit jener Zeit existiert, soll übrigens die sechs Gletscher in Vogelperspektive darstellen, die am Gipfel des Massivs aufeinander zulaufen. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde das „Montblanc“-Modell so bekannt, dass die Firma Simplo 1934 schließlich umfirmierte. Und es ist nun die Geschichte dieser heute weltberühmten Marke, die in einem neuen Museum in Hamburg im Mittelpunkt steht: Auch Lederwaren und Uhren produziert man, die Hauptrolle spielen hier aber jene Füllfederhalter, die im Lauf der vergangenen etwas mehr als hundert Jahre weltweit zum ­Synonym für qualitätsvolles Schreiben avancierten.

„Es gab kurz die Überlegung, auch andere Aspekte der Firmengeschichte auszustellen“, erinnert sich Alexa Schilz. „Doch dann trafen wir die Entscheidung, uns im Montblanc Haus in unserem Firmensitz auf die Welt des Schreibens zu konzentrieren.“ Alexa Schilz ist im Unternehmen für „Brand Heritage“ zuständig; sie wacht also über das Erbe der Marke und ihre Geschichte – entsprechend wichtig war ihre Rolle im Prozess der Museumskonzeption.

Kalligrafie aus verschiedenen Kulturen und historische Handschriften ergänzen das Gesamtbild.
Kalligrafie aus verschiedenen Kulturen und historische Handschriften ergänzen das Gesamtbild. Daniel Schäfer

Verstaubt soll so ein Großprojekt ja schließlich nicht wirken; das Erbe möchte so lebendig wie möglich an ein interessiertes Publikum vor Ort, und idealerweise wohl auch an nachfolgende Generationen von Kundinnen und Kunden, weitergegeben werden.

Meisterstücke im Mittelpunkt

Über die Generationen sei viel Material gesammelt worden, dieses galt es aber in den vergangenen vier Jahren – so lang bekleidet Schilz ihre Rolle – zu sichten, zu ordnen und für die Dauerausstellung im Montblanc Haus vorzubereiten. Wissenswertes aus der Markengeschichte soll sich mit weiter gefassten, kulturgeschichtlich angelegten Themen verbinden. Kunstvolle Rauminstallationen aus fili­granen Federelementen begrüßen die Besucherinnen, in liebevoll gestalteten Vitrinen können Interessierte nachvollziehen, wie die Federn – immerhin das Herzstück solcher Schreibgeräte – hergestellt werden.

Daniel Schäfer

Das Thema der Kalligrafie, die in vielen Kulturen denselben Stellenwert hat wie hierzulande die Bildenden Künste, wird ebenfalls beleuchtet, und zu den wertvollen Exponaten zählen Autografen, seltene Handschriften, berühmter Persönlichkeiten. Wie eng Montblanc die Kulturgeschichte im 20.  Jahrhundert begleitete, lässt sich an Fotografien mit berühmten Persönlichkeiten ablesen. Einen Ehrenplatz nehmen die limitierten Meisterstück-Editionen ein, die von fast sagenhafter Kostbarkeit sind.


Wer also Freude an gut in der Hand liegenden Füllfederhaltern hat und sich außerdem für das weite Gebiet des Schönschriftlichen begeistern kann, sollte abwägen, wie ein Besuch dieses markanten Gebäudes, dessen Form von fern an ein Tintenfass der Marke erinnert, in seinen Reiseplänen untergebracht werden kann. Handschriftliche Notizen in einem Cahier de voyage gehören natürlich dazu. 

Tipp:

Ehrwürdig. Das Montblanc Haus im Norden von Hamburg ist werktags von
9 bis 18 Uhr geöffnet. Begleitend erschien das Buch „Inspire Writing“ (Assouline).

Compliance-Hinweis: Der Autor reiste auf Einladung von Montblanc nach Hamburg.

("Die Presse Schaufenster" vom 16.06.2022)

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