Medientage

ORF-Chef Weißmann: "Wir fahren kleinere Dienstautos"

�STERREICHISCHE MEDIENTAGE 2022: SALOMON / WEISSMANN / WEHRSCH�TZ
�STERREICHISCHE MEDIENTAGE 2022: SALOMON / WEISSMANN / WEHRSCH�TZ(c) APA (FLORIAN WIESER)
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Bei den Medientagen sprach der ORF-Chef über Vorwürfe der Unausgewogenheit und Freunderlwirtschaft. Styria-CEO Markus Mair wehrte sich gegen "journalistischen Einheitsbrei“ und Ministerin Edtstadler lobte den Medienstandort Österreich.

Ein dichtes Programm mit mehr als 50 Gästen und mehr als 20 Vorträgen und Diskussionen gibt es bei den Österreichischen Medientagen des Manstein-Verlags heute und morgen in Wien. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sprach in seinem Talk zum Thema "Medien als Anker und Leuchttürme" über den Vorwurf der Unausgewogenheit, der dem ORF manchmal gemacht werde. "Wir hinterfragen uns täglich", sagte Weißmann. Insgesamt sei der ORF aber "unabhängig, ausgewogen", pflege eine Fehlerkultur und arbeite hart daran, alle bestmöglich zu erreichen.

Natürlich sind Menschen kritisch, das ist auch ihr gutes Recht. Aber ehrlicherweise merken wir Kritik oft aus einer Zuspitzung heraus, um möglicherweise Aufmerksamkeit zu erregen und zu polarisieren", so Weißmann. Aufgabe aller Qualitätsmedien sei es, auf Augenhöhe mit der Bevölkerung zu operieren. Bei den Österreicherinnen und Österreichern merke er eine "gewisse Nachrichtenmüdigkeit". Um gegenzusteuern, solle man nicht nur informieren, sondern auch unterhalten. "Man will ja nicht lebensmüde werden."

Vorwürfe rund um Filz und Freunderlwirtschaft, wie sie derzeit den deutschen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und dessen fristlos entlassene Intendantin Patricia Schlesinger betreffen, fürchtet Weißmann nicht. Als öffentlich-rechtliches Medienhaus stehe man zu Recht auf dem Prüfstand. "Wir haben 15 Prozent weniger Gehalt als die Vorgängergeschäftsführung, fahren kleinere Dienstautos, vertrauen auf strenge Compliance-Vorschriften und gehen mit gutem Beispiel voran", so der ORF-Chef. "Im ORF ist alles in Ordnung", so sein Befund.

Wehrschütz: Nicht zum Anwalt einer Sache machen lassen

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz wurde von "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon zu seiner Tätigkeit in der Ukraine und der Möglichkeit, Propaganda von Wirklichkeit zu unterscheiden, befragt. Wehrschütz meinte, es gelte zu berücksichtigen, dass beide Seiten versuchen, Journalisten zu manipulieren. Zugang zu Informationen seien zwangsläufig begrenzt und dennoch müsse man danach streben, auch "dritte Quellen" zu haben. Keineswegs dürfe man sich zum Anwalt einer Sache machen. Russland sei zwar ganz klar der Aggressor, dennoch müsse man Dinge kritisch prüfen.

Nur Zerstörung zu zeigen, erachtet er nicht als sinnvoll. "Wir versuchen auch zu zeigen, welche Überlebensstrategien es gibt und welche Selbstlosigkeit etwa von Ärzten oder dem Pflegepersonal ausgeht", so Wehrschütz. Die jüngst von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung in Russland bezeichnete er als "gefährlichste Eskalationsstufe seit der Kuba-Krise". "Die Situation ist brandgefährlich", so der ORF-Korrespondent.

Zeiler: Medienförderung statt Inseratengeld

Gerhard Zeiler, President International bei Warner Bros. Discovery, plädierte dafür, dass die Inseratengelder der Politik lieber in geregelte Medienförderungen fließen sollten. Das zu tun, verlange Mut. Zeiler attestierte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zwar, medienpolitische Schritte setzen zu wollen. Doch traue sie sich offenbar angesichts unterschiedlicher Marktinteressen, keine Entscheidung zu treffen.

In Hinblick auf den ORF stehen mehrere politische Entscheidungen an. Einerseits ist nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Streaminglücke bei den GIS-Gebühren zu schließen. An einer Haushaltsabgabe wie es sie bereits in Deutschland oder der Schweiz gibt, führe "kein Weg vorbei", glaubt Zeiler. Vielleicht werde man sie aber anders nennen.

Ringen um die "blaue Seite"

Auch pocht das öffentliche-rechtliche Medienhaus auf mehr digitale Möglichkeiten. Verleger fürchten angesichts der Dominanz des ORF und der "blauen Seite", dass weitere Möglichkeiten für den ORF sie hart treffen könnten. Speziell um orf.at - die "blaue Seite" - wird gerungen. "Die 'blaue Seite' aufzulassen, macht keinen Sinn", so Zeiler. Aber zu schauen, wie man Zeitungen einbinden und im Werbebereich zusammenarbeiten könnte, sei dennoch geboten, so der ehemalige ORF-Chef. "Wenn man den ORF zerstören will, gibt man ihm keine digitale Zukunft."

Auch Staatsoperndirektor Bogdan Rošcic trat für mehr Möglichkeiten des ORF im digitalen Raum ein. Ein ORF-Player wäre für die Kultur von "unschätzbarem Wert". Auch könne es kaum eine Zukunftsstrategie für den Medienmarkt sein, das beliebteste Onlinemedium in Form von orf.at zu verbieten, so der frühere Ö3-Chef.

Styria-CEO Mair: Kein Raum für „Einheitsbrei“

Markus Mair, CEO der Styria Media Group und Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zeigte sich offen für Zusammenarbeit im Technologie- und Strukturbereich. Dort gebe es "mannigfaltige Kooperationsmöglichkeiten", die auch noch nicht ausgeschöpft seien. Aber sollten Medienmarken und deren Journalistinnen und Journalisten den Medienmarkt weiterhin mit ihrer Unabhängigkeit und Individualität prägen, sah er keinen Raum für "journalistischen Einheitsbrei". "Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, mehrere Meinungen zu lesen", so Mair.

Generell bezeichnete er es etwa mit Blick auf die Gebührenfinanzierung des ORF und den starken internationalen Mitbewerb als "große Herausforderung" in einer Branche zu arbeiten, in der marktwirtschaftliche Mechanismen versagen. "Möchte man eine pluralistische, freie Medienlandschaft, bedarf es Handlungen", so Mair. Einzig auf Basis von Förderungen zu überleben, sei aber keine Option. "Medienhäuser sind gefordert, aktiver zu verkaufen und neue Produkte zu entwickeln", meinte Mair. Einem etwaigen Bedeutungsverlust des heimischen Markts müsse man mit hochwertigem Journalismus begegnen.

EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hielt am Dienstag eine Keynote bei den Medientagen. Ein starker und pluralistischer Medienstandort sei von "unfassbarem Wert" für das Zusammenleben in Österreich. Aufgabe sei es, Pressefreiheit und Journalistinnen und Journalisten zu schützen. Denn unabhängiger Journalismus und ein starker Medienstandort seien "stärkstes Gegengift im Zeitalter der Desinformation und Fake-News". Derzeit sei "Sand im Getriebe der Republik", meinte sie mit Blick auf sinkendes Vertrauen in Politik und Medien. Gemeinsam müsse jeder in seiner Rolle daran arbeiten, diesen Sand wieder loszuwerden.

Neal O'Rourke, Geschäftsführer von Sky Österreich, betonte bei einem "Opening Breakfast", die große Konkurrenz im Streamingmarkt. Der Pay-TV-Sektor sei viel Risiko und Unsicherheit ausgesetzt, was ihn ein schwieriges kommendes Jahr erwarten lässt. Trotz des weitverbreiteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich sieht er ausreichend Raum für Sky gegeben. "Österreich ist ein interessanter Markt", so O'Rourke. Überzeugen wolle man nicht nur mit Inhalten wie "House of the Dragon", "Der Pass" oder "Babylon Berlin", sondern auch mit dem Sportangebot und neuesten technologischen Entwicklungen.

(APA)

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