Tierschützer-Prozess: Richterin fehlt "Emotionsfreiheit"

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TierschuetzerProzess Richterin fehlt bdquoEmotionsfreiheitldquo(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Grundrechte-Experte Bernd-Christian Funk ortet „große Schwierigkeiten bei der Verhandlungsführung“. Danielle Durand sagt aus. Eine sexuelle Beziehung zum Angeklagten Felix Hnat bestreitet sie.

Wiener Neustadt. Im Tierschützer-Prozess kam am Donnerstag – wiederum erst nach stundenlangen gereizten Auseinandersetzungen zwischen Verteidigung und Richterin Sonja Arleth – die verdeckte Ermittlerin Danielle Durand zu Wort. Sie hielt sich aber nicht im Gerichtssaal auf, sondern getarnt mit schwarzer Perücke in einem Nebenzimmer. Ein Videobild dieser bizarr wirkenden Szene wurde in den Saal übertragen. Indessen übt der Staatsrechtler Bernd-Christian Funk von der Uni Wien im „Presse“-Gespräch Kritik an der Verhandlungsführung.

Funk, ein Experte für Grundrechte, der zuletzt am Montag als Beobachter beim Prozess war, meint: „Es ist evident, dass seitens der Verhandlungsführung große Schwierigkeiten bestehen, mit der Verhandlung zurecht zu kommen.“ Dies hänge „auch mit dem Prozessstoff“ zusammen. Der gegen die 13 Angeklagten erhobene Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§ 278a Strafgesetzbuch) sei vom Tatbestand her „kritikwürdig“. Die Regelung sei „unklar definiert“.

Der Umstand, dass die Richterin praktisch jede Frage der Angeklagten oder der Verteidiger an die Zeugen an sich zieht und teilweise umformuliert, ist laut Funk „sicherlich eine Strapazierung der richterlichen Leitungsbefugnis bis an die äußersten Grenzen, vielleicht eine Überstrapazierung“. Aber die Strafprozessordnung mache dies möglich und weise insoweit einen „Mangel“ auf. Vor allem aber habe die Prozessleiterin „offensichtlich nicht diese Emotionsfreiheit und Gelassenheit, die sie von den Angeklagten einmahnt“. Der Experte verweist auf das Prinzip, wonach ein Gericht Gerechtigkeit „sichtbar“ machen müsse. Hinsichtlich dieses Prinzips gebe es „bei diesem Verfahren große Sehschwierigkeiten“.

Im Prozess selbst wird die verdeckte Ermittlerin (VE) von der Richterin zunächst auf ihre auffällige Perücke angesprochen. Ob sie denn während ihres extrem langen Einsatzes – 16 Monate lang war die Frau mit dem Decknamen Danielle Durand als VE im Einsatz – nicht eine andere Haarfarbe gehabt habe? „Ich hatte blonde Haare“, sagt die Zeugin vor der von schräg oben auf sie gerichteten Videokamera. „Waren Sie korpulenter damals?“, fragt Richterin Arleth. „Ein wenig, ja“, sagt die Beamtin vom Büro für verdeckte Ermittlungen. Da niemand wissen darf, wer die Zeugin mit dem maskenhaften Gesicht überhaupt ist, wird so versucht, anhand von Äußerlichkeiten sicherzustellen, dass es sich um die verdeckte Ermittlerin handelt. Ungeachtet der Beteuerung: „Ja, ich bin die verdeckte Ermittlerin.“

Beamtin bestreitet sexuelle Beziehung

Eine sexuelle Beziehung zum Angeklagten Felix Hnat bestreitet Danielle Durand. „Das entspricht keiner Wahrheit. Das entspricht nicht den Tatsachen“, gibt die Zeugin nun an. Dabei sticht ihr steirischer Dialekt insofern heraus, als sich die Frau im Einsatz als Französisch-Studentin mit französischen Wurzeln ausgegeben hatte. Hnat hatte vielfach – auch im „Presse“-Gespräch – erklärt, dass es eine Intimbeziehung gegeben habe, freilich habe er nicht ahnen können, dass Danielle Durand eine Polizistin ist.

Was eigentlich ihre Aufgabe gewesen sei, wird die Zeugin gefragt – und gibt genau die eingelernt wirkende Antwort, auf die der Saal wartet: „Ziel des Einsatzes war es, gefährliche Angriffe abzuwehren.“ Diesen Satz hat man zuvor vom „Führungsoffizier“ der Agentin, Chefinspektor Stefan Wappel, Dutzende Male gehört. Letztlich hatte Wappel am Mittwoch eingestanden, mit der Beamtin über seine eigene Einvernahme gesprochen zu haben: „Ich habe ihr gesagt, zum Teil, was ich gefragt worden bin.“ Und das, obwohl es Zeugen nicht erlaubt ist, vor ihrem Aufruf im Verhandlungssaal zu sitzen.

Trotz 16 Monaten Einsatz habe die Agentin nie ein strafrechtlich relevantes Verhalten der nunmehrigen Angeklagten beobachtet. Dass keine einzige Straftat aufgeklärt worden sei, hatte auch bereits Wappel angegeben. Aber Ziel sei ja auch gewesen, „gefährliche Angriffe abzuwehren“. Ein einziger „gefährlicher Angriff“ findet sich im fast 100 Seiten starken Bericht der VE. Ausgeführt von Jägern, die während einer „Jagdstörung“ der Tierschützer deren Regenschirme zerschossen hatten. Dieser Angriff konnte nicht abgewehrt werden. Wappel, befragt zu den Schüssen: „Ja, es ist ein gefährlicher Angriff.“

Im Justizministerium verfolgt man den Prozess bzw. die vielen kritischen Medienberichte aufmerksam. Sektionschef Christian Pilnacek bestätigt der „Presse“, dass sich das Ministerium in den nächsten Tagen einen Bericht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vorlegen lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2010)

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