Xinjiang

Was hinter den Mauern von Chinas Umerziehungslagern geschieht

Sayragul Sauytbay gelang die Flucht aus einem chinesischen Umerziehungslager in Xinjiang. Dort leistete sie als Ausbilderin Zwangsarbeit.
Sayragul Sauytbay gelang die Flucht aus einem chinesischen Umerziehungslager in Xinjiang. Dort leistete sie als Ausbilderin Zwangsarbeit. Carolina M. Frank
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Was ist der Preis dafür, das Schweigen über die Menschenrechtsverletzungen Chinas an den Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten zu brechen? Die Kasachin Sayragul Sauytbay weiß es. Und auch, was in den chinesischen Umerziehungslagern in der Provinz Xinjiang vor sich geht. Sie war selbst in einem inhaftiert.

Wien/Xinjiang. Sie stand vor 56 seelenlosen Hüllen. Die Füße mit Ketten verbunden, die Haare abgeschoren. Hellblaue Uniformen, „mittelschwere Verbrechen“ also, die Haut totenbleich, blaue Flecken, rote Schrammen, offene Wunden. In den Gesichtern blanke Angst, in den Augen jeglicher Funke Hoffnung erloschen. „Wir sind bereit“, riefen sie ihr gehorsam entgegen. Bereit für den Unterricht, den Sayragul Sauytbay vor ihren Mitgefangenen hielt. Täglich brachte sie ihnen die chinesische Sprache näher, chinesische Bräuche und Traditionen, die Parteilinie der Kommunistischen Partei Chinas, Parteilieder und die Nationalhymne. 

Sayragul Sauytbay hat die Gräuel in Chinas Umerziehungslagern in Xinjang überlebt. Xinjiang ist der chinesische Name für die rohstoffreiche Provinz im Nordwesten Chinas, der so viel wie „Neue Grenzen“ bedeutet. Für die muslimische Bevölkerung bleibt es Ostturkestan. Rund 90 Prozent aller Uiguren weltweit leben dort, aber auch andere muslimische Volksgruppen. Sauytbay ist Angehörige der kasachischen Minderheit. Für Menschen wie sie hat China seine Umerziehungslager gebaut – und auch dafür hat die Großmacht einen anderen Namen. Sie spricht offiziell von „Ausbildungszentren“. Einheimischen würde dort eine berufliche Ausbildung ermöglicht. Sie seien freiwillig dort, schließlich würde ihnen dadurch eine bessere Berufschancen gewährt. „Das sind Lügen“ sagt dazu Sauytbay. Sie war Ausbilderin, aber auch Gefangene, wurde der Gehirnwäsche unterzogen, und war zugleich daran beteiligt, Menschen zu willigen chinesischen Staatsdienern zu machen. „In Wahrheit handelt es sich um faschistische Inhaftierungslager. Hinter diesen Mauern findet ein stiller Völkermord statt.“

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