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Experteninterview

Im ländlichen Bereich gibt es bei Demenz Aufholbedarf

Antonia Croy, Präsidentin von Alzheimer Austria.
Antonia Croy, Präsidentin von Alzheimer Austria.(c) beigestellt
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Experteninterview 2. Antonia Croy, Präsidentin der Selbsthilfeorganisation Alzheimer Austria, im Gespräch.

Antonia Croy ist Präsidentin der Selbsthilfeorganisation Alzheimer Austria. Im Experteninterview gibt sie Empfehlungen für Betroffene und Angehörige von Demenzerkrankungen sowie zeigt sie auf, wo noch die größten Verbesserungspotenziale liegen.

Was empfehlen Sie Betroffenen und Angehörigen, wenn mit der Vergesslichkeit die Ängstlichkeit und Unsicherheit zunehmen?

Antonia Croy: Meine Empfehlung ist, frühzeitig eine Gedächtnisambulanz oder eine Memory-Klinik aufzusuchen, wenn sich erste Anzeichen von Demenz zeigen. Vor allem, wenn innerhalb der Familie demenzielle Erkrankungen vorliegen.

Typische Anzeichen sind etwa, dass man zunehmend wichtige Termine vergisst oder in Gesprächen wiederholt dieselben Fragen stellt. Wortfindungsstörungen können ebenfalls auf eine beginnende Demenz hindeuten, ebenso wie eine gestörte räumliche oder zeitliche Orientierung. Leider verdrängen die meisten Betroffenen ihre Ängste.

Wie wichtig ist eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Demenz?

Ich beobachte, dass die Sensibilisierung in der Öffentlichkeit zunimmt. Als meine Mutter in den 1990er-Jahren an Alzheimer erkrankte, bezeichnete man Betroffene noch als auffällig. Heute sind die Begriffe Demenz und Alzheimer jedem ein Begriff. Die Menschen müssen aber lernen, im Umgang mit Betroffenen Verständnis und Respekt zu zeigen. Das beginnt damit, dass man die richtige Sprache verwendet. Man bezeichnet Betroffene nicht als der/die Demente, sondern als Person mit Demenz. Allgemein kommt man vom Begriff Demenz immer stärker weg und spricht eher von Leben mit Vergesslichkeit oder mit kognitiven Einschränkungen.

Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig im Umgang mit Menschen, die mit einer Alzheimer-Erkrankung leben?

Ganz wichtig ist, dass der Arzt, der dem Betroffenen die Diagnose mitteilt, die Person nicht allein im Regen stehen lässt. Es hat sich zwar in entsprechenden Einrichtungen verbessert, aber es gibt noch immer viele Fälle, in denen das ärztliche Feingefühl fehlt. Alzheimer Austria plädiert für den Post-Diagnostic-Support. Es braucht geschulte Kräfte, die Betroffene und Angehörige in den ersten Monaten bis zu einem Jahr begleiten, bis sich diese Personen in die neue Situation hineingefunden haben. Schottland ist diesbezüglich ein Beispiel für Best Practice. Außerdem braucht es mehr Assistenz über die verschiedenen Phasen der Demenz, denn von den Anfängen bis zum Endstadium können bei einer demenziellen Erkrankung zwanzig Jahre liegen.

Wie kann man pflegende Angehörige besser unterstützen?

Pflegende Angehörige brauchen Informationen über die Krankheit. Von den großen Anbietern gibt es immer wieder Informationskampagnen. Aber leider gibt es auch ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Während das Unterstützungsangebot in der Stadt gut ist, gibt es in vielen ländlichen Gebieten wenig Hilfe. Hier braucht es mehr Sensibilisierung der Hausärzte. Empfehlenswert für pflegende Angehörige ist auch, sich mit anderen betroffenen Familien auszutauschen.

Wir haben Gruppenangebote wie das Alzheimercafé und Kleingruppen für Partner und Partnerinnen sowie Töchter und Söhne, weil die verschiedenen Generationen von Betroffenen und Angehörigen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Die Gefahr der sozialen Isolation ist bei einer demenziellen Erkrankung für Betroffene und Angehörige durchaus gegeben. Der Austausch mit Gleichgesinnten wirkt dem entgegen.

Widmet sich die Politik dem Thema ausreichend?

Es gibt einige Punkte, in denen die Politik noch aktiver werden müsste. Zum Beispiel eine bessere finanzielle Unterstützung für psychologische und psychotherapeutische Angebote. Auch Urlaubsangebote für pflegende Angehörige müssten finanziell besser unterstützt werden. Am allerwichtigsten ist, den Pflegenotstand in den Griff zu bekommen. Vor allem im ländlichen Raum gibt es hier ein zu mangelhaftes Angebot. In Gesundheitseinrichtungen fehlt für demenzielle Erkrankungen das Fachpersonal.

Zur Person

Antonia Croy ist personenzentrierte Psychotherapeutin und Fachtherapeutin für kognitives Training. Sie arbeitet in freier Praxis in Wien und ist Präsidentin der Selbsthilfeorganisation Alzheimer Austria.

www.alzheimer-selbsthilfe.at

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