Dreiersenate

Edtstadler: Parlamentarische Kontrolle des Generalstaatsanwalts "nicht verhandelbar"

In einer Demokratie müsse die "Rückbindung zum Volk" gegeben sein, argumentierte Edtstadler.
In einer Demokratie müsse die "Rückbindung zum Volk" gegeben sein, argumentierte Edtstadler.APA/ROLAND SCHLAGER
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An der Weisungsspitze soll eine Person stehen, die dem Parlament verantwortlich ist. Es handle sich um eine "conditio sine qua non“, diese sei „nicht verhandelbar“, hält die Verfassungsministerin fest.

In der Diskussion über die Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft ist für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle des Generalstaatsanwalts als Weisungsspitze unabdingbar. Das sei eine "conditio sine qua non" und "nicht verhandelbar", meinte sie am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Das bisherige System habe gerechtfertigt, dass eine Ministerin oder ein Minister in Einzelstrafsachen eine Weisung geben kann. Dies müsse „auf alle Fälle beibehalten“ werden, hält die Ministerin fest. Es brauche „jemanden, der tatsächlich verantwortlich ist“; eine Person, die dem Parlament „Rede und Antwort steht“.

In einer Demokratie müsse die "Rückbindung zum Volk" gegeben sein, argumentierte Edtstadler. Daher solle an der Weisungsspitze eine Person stehen, die dem Parlament verantwortlich ist - und zwar sowohl bei der Bestellung als auch bei der Abberufung und der laufenden Kontrolle, und nicht, wie von der Expertengruppe vorgeschlagen, Dreiersenate. Zur parlamentarischen Kontrolle gehöre etwa auch das Interpellationsrecht, also die Möglichkeit der Anfrage durch Mitglieder des Parlaments. Auch müssten diese Bereiche Teil eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein können.

„Vorschläge schaffen demokratiefreien Raum"

Sie schätze die "akribische Arbeit" der Expertengruppe, die gute Vorschläge erarbeitet habe, so Edtstadler. Die Vorschläge würden aber einen "demokratiefreien Raum" schaffen, da die Möglichkeit zur parlamentarischen Kontrolle fehle. Das Parlament sei weder bei der Bestellung noch bei der Abberufung eingebunden. Daher müsse jetzt einmal „im Detail“ die politische Debatte starten. Dabei sei für sie die Forderung nach parlamentarischer Kontrolle wesentlich, betonte Edtstadler: "In welcher Form können wir noch reden.“

Bei der Frage der Bestellung etwa zeigt sich Edtstadler kompromissbereiter. Die Empfehlung der Kommission sei „nicht der erste Vorschlag“, wie ein solches unabhängiges oberstes Organ eingerichtet werden könnte. Beim Österreich-Konvent 2003-2005 etwa habe der jetzige Verfassungsrichter Schnitzer ein anderes Modell vorgestellt. Dabei würde der Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit über Vorschlag des Hauptausschusses den Bundesstaatsanwalt bestellen. Auch solche Überlegungen sollten laut Edtstadler in die politische Debatte miteinbezogen werden.

Edtstadler hält an „Bundesstaatsanwalt“ fest

Die Ministerin beruft sich in ihrer Argumentation auf den gemeinsamen Ministerratsvortrag von ÖVP und Grünen aus dem März 2021, wie sie am Freitag auch vor Journalisten ausführte. Darin sei nicht nur die parlamentarische Kontrolle festgeschrieben, sondern auch die Verknüpfung mit anderen Justizthemen, die Edtstadler nun im Paket erledigen möchte: Die Stärkung der Beschuldigtenrechte, die Verkürzung der Verfahrensdauer und den Kostenersatz bei Freisprüchen. Im Übrigen hält sie an der Bezeichnung "Bundesstaatsanwalt" fest und lehnt das von den Justizexperten gewählte Wort "Generalstaatsanwalt" ab.

Sie verstehe, dass es momentan „immer wieder einen Vertrauensverlust“ gegenüber der Politik zu beklagen gebe, führt Edtstadler weiter aus. Das rechtfertige aber nicht, „die Institution Parlament“ infrage zu stellen. Damit teilt Edtstadler nicht die Meinung ihrer Amtskollegin Alma Zadic. Die Justizministerin hatte unlängst angekündigt, den Empfehlungen der Expertenkommission folgen zu wollen.

Zadic: „Entmachte nicht nur mich"

Zadic hat die von den Experten angedachte Reform am Freitag in mehreren Zeitungsinterviews erneut verteidigt. "Ich entmachte damit nicht nur mich, sondern auch künftige Justizminister", betonte sie etwa im "Kurier". Sie sah bei den Experten ein "sehr gelungenes, kreatives Konzept, das dafür sorgt, dass Justiz und Politik noch klarer getrennt werden und die größtmögliche Unabhängigkeit gewahrt wird". In den "Salzburger Nachrichten" sprach sie gar von der "größten Reform der Justiz in der Zweiten Republik".

Die zuständige Sektion im Justizministerium wird laut der Justizministerin nun einen Entwurf erarbeiten, parallel soll - dem Vernehmen nach schon kommende Woche - mit dem Koalitionspartner gesprochen werden. Auch mit den anderen Parlamentsparteien muss verhandelt werden, schließlich braucht es eine Verfassungsmehrheit für die Reform.

Kritik kam von der SPÖ. Die ÖVP blockiere seit 20 Jahren eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft, beklagte Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung. Die Diskussion sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen nichts mehr weiterbringe. Auch nach Vorliegen des Endberichtes der Experten spiele die ÖVP ein durchsichtiges Spiel: "ÖVP-Verfassungsministerin Edtstadler richtet der grünen Justizministerin lediglich über die Medien aus, was alles nicht geht, statt die Umsetzung zu forcieren."

(APA/red.)

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