Italien-Wahl

Faschistengruß bringt Meloni in Verlegenheit

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Ein Bruder des Mitgründers der Fratelli d'Italia sorgt für Aufregung. Experten warnen bei Sieg des Rechtsbündnisses vor Instabilität.

Ein Regionalpolitiker der Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens - FdI) macht seiner Parteichefin und Wahlfavoritin bei den italienischen Parlamentswahlen am Sonntag, Giorgia Meloni, zu schaffen. In einem Video ist zu sehen, wie er bei der Beerdigung eines früheren Rechtsextremen den Arm zu dem im Faschismus verwendeten sogenannten römischen Gruß ausstreckte. Brisant: Der Politiker ist der Bruder von Ignazio La Russa, einem Mitbegründer von Fratelli d'Italia.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung zu dem Vorfall ein. Romano La Russa, Bruder des Spitzenpolitikers und Mitbegründers der Partei Fratelli d'Italia, Ignazio La Russa, ist der Beauftragte für die öffentliche Sicherheit im lombardischen Regionalparlament. Diese Woche hatte er sich bei der Beerdigung seines Schwagers, eines bekannten Vertreters der italienischen Neofaschisten in Mailand, Alberto Stabilini, offenbar anderen Trauernden angeschlossen, die ihren Arm zum - dem "Hitler-Gruß" ähnelnden - "römischen" Gruß erhoben. Ein Video des Vorfalls verbreitete sich im Internet. Romano La Russa erklärte, es sei kein faschistischer Gruß gewesen, sondern Teil eines üblichen militärisches Begräbnisrituals zu Ehren eines verstorbenen Kameraden.

Salvini „stinksauer"

Die Mailänder Staatsanwaltschaft erklärte, sie habe noch keine Anklage erhoben, sondern prüfe den Vorfall. Lega-Vorsitzender Matteo Salvini meinte, La Russa "hätte uns einen römischen Gruß ersparen können". "Ich bin stinksauer und zwar wegen der Sache an sich, aber auch wegen der völlig übertriebenen Art und Weise, wie mit diesem Gruß umgegangen wird, den sich ein Toter gewünscht hat. Auch Meloni ist über den Wirbel wegen des Vorfalls erstaunt", kritisierte Ignazio La Russa.

Umfragen zufolge könnte die postfaschistische Partei Fratelli d'Italia bei der Wahl am Sonntag stärkste Partei werden. Fratelli d'Italia befindet sich in einem Bündnis mit der Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Reformstau

Experten warnen indessen davor, dass ein rechter Wahlsieg die vielfältigen Krisen des Landes verschärfen würde. „Die Instabilität einer möglichen Regierung Melonis sowie ein sehr gespaltenes Parlament könnten eine parlamentarische Lösung auf die vielen Herausforderungen, vor denen das Land steht, blockieren", so der Politikwissenschafter Fernando D'Aniello in einer Aussendung des Wissenschaftsnetzes „Diskurs".

So bestehe etwa die Gefahr, dass die notwendigen institutionellen Reformen und sozialpolitischen Maßnahmen verschleppt würden. „Da die italienische Demokratie schon seit langem sehr geschwächt ist, könnte diese Wahl auch eine Verschärfung der sozialen und wirtschaftlichen Krise bedeuten. Sie könnte auch dazu führen, dass Italien auf der internationalen Ebene als unzuverlässiger Partner angesehen wird und weiter an Relevanz verliert", sagt der Experte.

In EU-Frage gespalten

Eine rechte Koalition wäre sehr instabil, sind sich D'Aniello und seine Kollegin Daniela Caterina, die an der Huazhong University of Science and Technology in Wuhan zur politischen Ökonomie Italiens sowie zu populistischen Parteien forscht, einig. Ob eine Regierung von Melonis Fratelli d'Italia, der rechtspopulistischen Lega und der konservativen Forza Italia lange halten würde, sei fraglich.

„Trotz ihrem politischen Geschick dürfte es Meloni schwerfallen, eine Mitterechts-Regierungskoalition zusammenzuhalten", sagt D'Aniello. Ein Zankapfel wäre auch die Haltung gegenüber der Europäischen Union: „Auf einer Seite stehen die EU-kritischen Kräfte in Melonis Partei, die bis zu den UnterstützerInnen des ungarischen Ministerpräsidenten Orban reichen. Auf der anderen Seite stehen überzeugte Europa-Politiker wie der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Ob Meloni hier eine gemeinsame Linie finden würde, bleibt offen", so der Experte.

Atlantiker versus Pro-Russland-Kräfte

Auch über die Vereinbarkeit und Durchführbarkeit ihrer jeweiligen Vorschläge, insbesondere im Bereich der Steuern, bestehen Caterina zufolge große Unsicherheiten und Konfliktpotenzial. Und: „Ein heißes Eisen für die Koalition ist die Suche nach Lösungen für die derzeitige Energiekrise und der damit verbundenen Teuerung." Dies hänge mit der entscheidenden Frage der außenpolitischen Positionierung der drei Verbündeten zusammen: „Melonis Stellung als 'Atlantikerin' steht im Gegensatz zu Salvinis prorussischen Positionen und geht mit einer Vision von Europa einher, die sich stark von der Berlusconis unterscheidet", so Caterina.

(DPA)

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