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Kalte Füße auch bei den ganz teuren Wohnungen

Lange Zeit war Nachhaltigkeit bei Luxusimmobilien kein Thema. Das hat sich geändert.

Jahrelang waren die Antworten auf die Frage, ob das Thema Nachhaltigkeit auch im Luxussegment schön langsam an Bedeutung gewinnt, zurückhaltend bis klar verneinend. Wer es sich leisten konnte, lebte gern in Glaspalästen auf dem Dach, die per Klimaanlage komfortabel heruntergekühlt wurden; ließ die Poolumrandung und Terrasse aus Tropenholz legen – einheimisches splittert halt gar so leicht – und interessierte sich für alternative Energieformen erst zögerlich, als durch die ESG-Regeln langfristige Wertverluste drohten.

„Schlagartig über Nacht“

Viel stärker als der Energieausweis wurden die Betriebs- und Nebenkosten studiert – und damit ist jetzt ganz plötzlich die Trendumkehr auch im Premiumsegment angekommen. Denn die neuen Energiepreise können auch den Inhabern solider Budgets bei großen, gläsernen Wohneinheiten die Tränen in die Augen treiben – von der ausreichenden Verfügbarkeit ganz abgesehen.

„Das hat sich schlagartig, fast schon über Nacht geändert“, berichtet Peter Marschall, Inhaber von Marschall Immobilien. „Seit einem halben Jahr muss alles, was neu gebaut oder saniert wird, auch im Luxussegment dem neuesten Stand entsprechen.“ Wenn da nicht entsprechend thermisch saniert und die Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht werde, gehe gar nichts. Was bei manchen Projekten durchaus dazu führt, dass in letzter Minute noch die Notbremse gezogen wird, wie Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien, weiß: „Ich kenne ein Projekt im 18., bei dem die Gasleitungen alle schon gebaut waren, die Anlage jetzt wieder herausgerissen und durch eine Luftwärmepumpe ersetzt wird“, so der Makler. Wer jetzt als Bauträger ein Projekt mit mehr als einer Wohnung habe und nicht auf alternative Energien umsattle, habe definitiv ein Problem mit dem Verkauf, fügt er hinzu. Wobei das leichter gesagt als getan sei: „Eine Wärmepumpe, die ich vor zwei Monaten bestellt habe, wird im März geliefert“, erzählt der Makler.

Eine Problematik, die auch Richard Buxbaum, Prokurist und Leiter des Bereichs Wohnimmobilien bei Otto Immobilien, kennt. „Das Thema beschäftigt definitiv auch Käufer mit großen Budgets, von denen manche aktuell überlegen, sich mit mehreren Heizvarianten für den kommenden Winter auszustatten – etwa mit Holzbrennöfen oder Radiatoren“, berichtet er.

Hinschauen und Hinterfragen

Allerdings seien diese genauso schwer zu bekommen wie etwa Solarpaneele, selbst wenn es im Luxussegment aufgrund des größeren finanziellen Spielraums manchmal leichter sei, die Dinge zumindest etwas schneller zu bekommen. Neben der akuten Heizsituation seien weitere Nachhaltigkeitsaspekte in dieser Zielgruppe stärker ins Bewusstsein gerückt. „Da werden die Energiekennzahlen stärker angeschaut und gefragt, welche Materialien verwendet werden“, erläutert Buxbaum. Aber auch kreative Lösungen, wie etwa Heizmodelle, die man umstellen kann, um für kommende Krisen besser gerüstet zu sein, würden immer stärker nachgefragt. Eine Nachfrage, der laut dem Experten in der Entwicklung bereits Rechnung getragen wird: „Ich bin zuversichtlich, dass es bereits 2023 weltweit Innovationen, ein ganz neues Level der Energiegewinnung geben wird.“

Auch das im urbanen Premiumsegment so beliebte Glas, Glas und nochmals Glas wird zumindest hin und wieder auf den Prüfstand gestellt. „Manche verzichten hie und da auf ein paar Glasflächen, reduzieren da, wo es ohnehin sinnvoll ist, denn manchmal war es ohnehin schon zu viel“, berichtet Buxbaum. Außerdem werde die Art des Glases genauer unter die Lupe genommen. „Es gibt inzwischen Glas mit Dämmwerten fast wie bei Mauerwerk – das war früher ein Nice to Have, wird jetzt aber immer wichtiger“, fügt Marschall hinzu. Zumal die Zertifizierungen auch für Endkunden und nicht nur Fonds ein immer größeres Thema werden, die mit riesigen Glasflächen kaum zu bekommen sind, wie Müller betont. Illusionen macht er sich aber keine: „Da drücken im Luxusbereich dann doch viele ein Auge zu und versuchen, sich mit Beschattungen zu behelfen. Letztendlich bin ich überzeugt, dass die großen Glasflächen bleiben werden.“

Auch an anderer Stelle rächen sich jetzt die Planungen für die gläsernen Dachaufbauten der letzten Jahre: Um die schönen großen Wohnungen ganz oben auch entsprechend großzügig aufteilen zu können, mussten die gemauerten Schornsteine auf den Dächern weichen. Und mit ihnen die Möglichkeit, im Altbau noch vorhandene Kamine oder Kachelöfen wieder in Betrieb zu nehmen oder neue Öfen – so man sie denn noch rechtzeitig vor dem Winter bekommt – anzuschließen. Was durchaus für manchen interessant wäre, wie Marschall berichtet. „Kamine und Kachelöfen sind gerade wieder im Begriff, eine Entwicklung zu werden“, weiß der Makler. „Und das nicht mehr nur aus ästhetischen Gründen.“

Unerwartetes Phänomen

Neben all den technischen und architektonischen Entwicklungen taucht aber mit den extremen Energiepreisen auch ein eher ganz neues Phänomen auf dem Markt mit den exklusiven Quadratmetern in den Einserlagen auf. „Es gibt eine ganze Reihe von großen Altbauwohnungen, etwa im Ersten und entlang des Rings, die von den sprichwörtlichen Hofratswitwen zu enorm günstigen Mieten bewohnt werden“, weiß Müller. „In denen sind teilweise zwei oder drei Zimmer der 200-Quadratmeter-Wohnung seit Jahren zugesperrt, weil sie gar nicht mehr genutzt werden.“ Was bislang angesichts der niedrigen Miete kein Problem war – sich jetzt aber durch die Heizkosten zu einem entwickelt. „Da hat es bereits Anfragen an die Hausbesitzer gegeben, ob diese nicht den Auszug mit einem gewissen Betrag versüßen würden“, berichtet der Makler, „weil man überlege, vielleicht doch in eine der kleineren Vorsorgewohnungen des Sohnes zu ziehen.“ Ein Wunsch, dem die Vermieter gern nachkommen – um dann die Wohnung sanieren und wahlweise verkaufen oder teuer vermieten zu können. „Da bin ich überzeugt, dass auf diese Art demnächst noch einige neue Quadratmeter in besten Lagen auf den Markt kommen werden“, sagt Müller. (SMA)

TRENDWENDE

Das Thema Nachhaltigkeit war im Premiumsegment lang ein Stiefkind; wer es sich leisten konnte, wollte bei Design, Material und Komfort keine Kompromisse machen. Das hat sich jetzt schlagartig geändert – seit die Energieversorgung nicht mehr nur ein finanzielles Thema, sondern auch eines der Verfügbarkeit ist, stehen Wärmepumpen und Solarpaneele plötzlich ganz oben auf der Liste der Anforderungen für luxuriöse Projekte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2022)

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