Theater in der Josefstadt

Ein „Volksfeind“, der zu Krisenzeiten passt

Energisches Paar von Henrik Ibsen: Kathrin Stockmann (Martina Ebm) und ihr Mann, Thomas (Roman Schmelzer).
Energisches Paar von Henrik Ibsen: Kathrin Stockmann (Martina Ebm) und ihr Mann, Thomas (Roman Schmelzer). Philine Hofmann
  • Drucken

David Bösch hat Ibsens Gesellschaftsdrama flottgemacht. Zum Fürchten aktuell werden Machtmechanismen seziert.

Dr. Thomas Stockmann verkörpert puren Idealismus. Der Badearzt einer Stadt an der Küste im Süden Norwegens sorgt sich um seine Kurgäste. Wie er durch Proben herausgefunden hat, sind sie von verseuchtem Wasser bedroht. So sehr steigert er sich in den Kampf gegen Keime, Politiker, Presse und schließlich die wankelmütige Masse hinein, dass er seine Familie, ja seine Existenz hintanstellt, keine Kompromisse kennt.
In Henrik Ibsens Drama „Ein Volksfeind“ (1882) beginnt der Protagonist ein irres Machtspiel mit seinem Bruder Peter, dem Bürgermeister, der die Aufdeckung des Skandals verhindern will und als gelernter Politiker weiß, wie er die öffentliche Meinung manipuliert.

Roman Schmelzer spielt den Idealismus des Doktors furios, er verleiht ihm auch beängstigende Züge. Ein Irrläufer ist er, passend für manch aktuelle Demo. Dieser wissenschaftsgläubige Mann hat auch einen Hang zur Gewalt. Als er mit seinen Argumenten bei Peter nicht durchkommt, prügelt er auf ihn ein. Er glaubt, die Mehrheit hinter sich zu haben. Als diese ihm den Rücken kehrt, rastet er aus, speit Verachtung fürs Volk aus.

Ibsen, dieser Giftzwerg unter den Weltliteraten, hat hier ein Paradebeispiel für einen elitären Neo-Darwinisten übelster Sorte geschaffen. Seine Reden könnten eins zu eins von Demagogen links oder rechts übernommen werden.

Erfolgreicher sind die Demagogen nach Zuschnitt des Bruders. Günter Franzmeier ist als Bürgermeister Stockmann ein geschickter Stratege. Der überlegt genau, was er sagt und tut, mit kaltem Kalkül. In den könnte man einige aktuelle Parteiführer hineinlesen. Perfekte Besetzungen! Bei der Premiere am Donnerstag im Theater in der Josefstadt agierte ein fein abgestimmtes brüderliches Power-Duo, quasi in einer Versuchsstation für Demokratie und Revolte.

David Bösch hat den Fünfakter (die Bearbeitung Arthur Millers, übersetzt von Iri Seiser) flottgemacht. Eine mehr als gediegene Aufführung, eine gelungene Wiederbelebung mit Pfiff. Das Bühnenbild von Patrick Bannwart ist funktional: Eine Videowand für sinnvolle Einspielungen, eine Baustelle, die durch eine Drehung hinterm Büro des Stadtchefs verschwindet. Auf den Tischen steht das Modell der neuen Badeanlage.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.