Mein Samstag

In der Star-Warteschlange

Wenn man versucht, sich nicht allzu oft auf Klischees auszuruhen (etwa Engländer und ihre Anstellerei), haben es einem die jüngsten Bilder aus London schwer gemacht: Ich meine natürlich die kilometerlangen Warteschlangen vor dem Sarg der Queen.

Wir sind uns sicher einig, dass Hunderttausende Menschen, die sich so diszipliniert tagelang irgendwo anstellen, ein im ungeduldigen Österreich undenkbares Bild wären. Bei uns ist es ja schon schwierig, dass man als, sagen wir, Fünfter an der Kassa steht, ohne dass nicht ein „Zweite Kassa!“ in den Supermarkt gebrüllt wird. Während zeitgleich in London Zigtausende brav gewartet haben, habe ich in einer Wiener Bäckerei eine Beinahe-Handgreiflichkeit erlebt, weil sich der Dritte gegenüber dem Zweiten vorgedrängt hat. Es ging dabei, anders als in London, wo man eine zweistellige Stundenanzahl überbrücken musste, um vielleicht ein oder zwei Minuten Zeitersparnis. In London konnte man ja auch seinen Platz in der Reihe für einen Toilettenbesuch verlassen und sich dann wieder in die Warteschlange einschlichten – schwer vorstellbar bei unserer Weggegangen-Platz-gefangen-Mentalität.

Ich darf Sie aber auch kurz auf einen weniger bekannten kulturellen Unterschied aufmerksam machen: Die Engländer lieben Imitatoren berühmter Musiker. Bei uns tauchen Künstler, die so tun, als wären sie jemand prominenterer, eher selten auf (Ihnen fällt jetzt sicher auch nur der Austrofred ein). Auf zwei England-Urlauben durfte ich unter anderem folgende Doppelgänger erleben: Ed Sheeran, Gary Barlow (der eine von Take That), Robbie Williams (der andere von . . .) und zweimal ABBA. Wobei: Einmal fehlte dabei leider einer der Männer im Glitzerlook, ob der Björn- oder Beni-Imitator weiß ich nicht, genau genommen haben wir also nur ABA gesehen. Interessant dabei finde ich die Frage, wie man zum Doppelgänger wird: Sieht man zufällig so aus wie ein Star und studiert dann seine Lieder ein? Oder umgekehrt: Die eigene Karriere läuft nicht so gut und man schaut dann, welchem Star man am ehesten ähnelt? So oder so: Thank you for the music!

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2022)

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