Selbst mit der EU-Skeptikerin an der Spitze wird Rom Draghis Linie fortsetzen, die Krise zähmt auch Ultrarechte. Größte Gefahr ist ein Reformstillstand.
Eines muss man der italienischen Politik lassen: Sie hält die Spannung hoch, hangelt sich von einem Cliffhanger zum nächsten, derzeit besonders kunstfertig. Nach der Parlamentswahl vom Sonntag dürfte der Musterschüler Italien Montagfrüh im brandneuen „Rebellen-Look“ erwachen: Stimmen die Umfragen, wird mit Giorgia Melonis Fratelli d'Italia erstmals eine EU-skeptische Rechtsaußenpartei mit neofaschistischen Wurzeln ein größeres Eurozonenland anführen.
Das Label Fratelli d'Italia verspricht in der Tat schwindelerregende Veränderungen in Rom. Ist doch Italien in den vergangenen eineinhalb Jahren Europas Streber schlechthin gewesen. Unter „Supermario“ Draghi hat die wohl breiteste Regierungskoalition der EU alle verblüfft: In knapp 18 Monaten schaffte es der Banker mit seinem Team nicht nur, das von einer harten Pandemie, Wachstumskrise und enormen Verschuldung gelähmte Land auf die Beine zu kriegen. Sondern er machte die drittgrößte EU-Volkswirtschaft zur Top-Performerin: Die Wirtschaft wuchs zuletzt überdurchschnittlich, die Inflation lag unter dem Euroschnitt, Reformen wurden im Rekordtempo verabschiedet und garantierten die Auszahlung von EU-Corona-Hilfsmilliarden: Die Italiener spüren jetzt schon die heilsamen Folgen der Draghi-Kur. Und auch im Ausland wurde Italien wieder ernst genommen. Als glaubwürdiger EU-Player, als Nato-Partner im Ukraine-Krieg.