Entwirft eine absurde, aber dennoch bedeutsame Traumwelt: Mircea Cartarescus
Literatur

Heilung gibt es nicht, aber Trost

Mircea Cartarescus Erzählungen unter dem Titel „Melancolia“ handeln von den drei grundlegenden Arten der Liebe: jener zwischen Mutter und Kind, der platonischen und der geschlechtlichen. Ein Zeugnis erstaunlicher poetischer Fähigkeiten.

Ein Kind, dessen Mutter eines Tages nicht mehr zurückkommt, sodass der kleine Junge die nächsten Jahre in einer auch sonst menschenleeren, gespenstischen Stadt buchstäblich mutterseelenallein zubringt, im Dialog nur mit sich selbst und der stummen Welt; ein Bruder, der mit seiner kleinen Schwester, die er über alles liebt, jeden Abend Fuchs und Häschen spielt, bis sie eines Tages erkrankt, sie wirklich der böse Fuchs bedroht und ihm „rauben“ will, und der Junge den Kampf mit diesem Fremden aufnimmt und sich selbst opfert, um die Schwester zu retten; und ein Junge, Ivan, Schüler des Gymnasiums der Einsamkeit in der Stadt der Einsamkeit, der sich in Dora verliebt, aber noch nicht recht weiß, wie er damit umgehen soll, sodass aus der Liebe nichts Echtes, Gelebtes wird und er Trost in den Gedichten findet, vor allem jenen des Dichters Vasile Singuratate (der Name bedeutet Einsamkeit) – das sind die Helden der drei Erzählungen in Mircea Cartarescus Band „Melancolia“.

„Erzählungen“ irritiert als Genrebezeichnung vielleicht, denn die rund 260 Seiten, die der Band umfasst, sind thematisch und atmosphärisch stark miteinander verwoben und gleichen eher einem Triptychon über die drei grundlegenden Arten von Liebe und Liebesschmerz: der allerersten, die der Mensch erfährt, jener zwischen Mutter und Kind, mit deren Wegfall wir das Gefühl der Einsamkeit erstmals kennenlernen, der zweiten nachfolgenden, der platonischen, kameradschaftlichen Geschwisterliebe, für die man selbstlos bis zum Äußersten geht, um den anderen zu retten, und schließlich die geschlechtliche, erotische Liebe als dritte Liebesart und die dazugehörige Erfahrung des grundstürzenden Weltverlusts, den ein Liebeskranker erfährt. Dazu passt auch, dass die drei Erzählungen eingerahmt werden von Prolog und Epilog, in denen die Kehrseite von Liebe, das Gefängnis der existenziellen Einsamkeit, in dem sich jeder von uns zeit seines Lebens befindet, und der Drang, unbedingt daraus ausbrechen zu wollen oder zumindest erkennen zu wollen, warum wir alle in Einzelhaft in unseren Zellen sitzen, gleichnishaft dargestellt werden.

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