Wir wollen das als „böse“ Erkannte in die Schranken weisen, verfolgen, zum Schweigen bringen.
Philosophie

Konrad Paul Liessmann: Am liebsten würden wir den Hass unter Strafe stellen

Es ist immer der Hass der anderen, der uns irritiert, erschüttert, verzweifeln lässt. Der eigene Hass ist davon stets ausgenommen. Dieser ist gerechtfertigt, ist eigentlich gar kein Hass, sondern ein Aufschrei, ein Protest, eine kleine Provokation, eine notwendige Empörung, ein Diskussionsanstoß.

Mit dem Hass sind wir immer schon fertig. Carolin Emcke hat dies in ihrem Buch „Gegen den Hass“ prägnant erfasst. Es gibt nur ein „gegen“, es gibt kein „dafür“. Negative Gefühle gibt es viele, aber nur dem Hass kann anscheinend nichts Positives abgewonnen werden. Während „Wut“ und „Zorn“ in bestimmten Kontexten geradezu die Konturen eines emotionalen Adelsprädikates annehmen können und zumindest die „Angst“ vor der Erderwärmung salonfähig ist, wirkt der Hass immer schon delegitimiert. Niemandem fiele es ein, ein Gesetz zu fordern, das Wutausbrüche und Zornesfalten, gar Angstzustände verbietet. Den Hass jedoch würden wir am liebsten unter Strafe stellen. Es ist der einzige Affekt, der generell und nicht nur situativ als unzulässig erachtet wird.

Mit dem Hass sind wir immer schon fertig. Es geht nur noch darum, wie wir ihn eindämmen, entschärfen, zurückdrängen und bekämpfen können. Aufklärung tut Not, pädagogische Besorgnis ist geboten, Filter werden eingebaut, und das Strafrecht muss in Hinblick auf Hassattacken und medial verbreitete Hassreden geschärft werden. Woran aber erkennen wir diese? Was sind die Signaturen des Hasses, seine Erkennungszeichen, Ausdrucksformen? Anders als Wut und Zorn ist Hass in hohem Maße auf Verbalisierung und Aktionismus angewiesen. Bis auf den hasserfüllten Blick kennt zumindest die Alltagspsychologie keine verlässlichen physiologischen Anzeichen für dieses Gefühl. Um eine These von Judith Butler zu variieren: Hass muss sprechen.

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