Wort der Woche

Umweltverschmutzung durch Blei

Mithilfe neuer Analysemethoden lässt sich die Geschichte der globalen Umweltverschmutzung durch Blei gut nachzeichnen.

Blei ist ein alter Begleiter der Menschheit: Seit Jahrtausenden wird das weiche, leicht schmelzbare Metall z. B. für Rohrleitungen, Gefäße oder als Baumaterial (zum Verbinden von Steinblöcken oder Abdichten von Dächern) genutzt. Dass Blei giftig ist, wussten schon die alten Römer: Vitruv riet, für Wasserleitungen Rohre aus Ton statt Blei zu verwenden. Dennoch wurde das Schwermetall in großem Stil eingesetzt – schließlich war es als Nebenprodukt der Silbergewinnung reichlich und billig verfügbar.

Die Spuren sind allgegenwärtig: In Form von Stäuben, die vom Wind verblasen werden, gelangte Blei in alle Winkel der Erde, bis hin zum „ewigen“ Eis der Arktis. Für die Wissenschaft spannend ist, dass sich die Staubablagerungen in Gletschern anhand der alljährlich dazukommenden Eisschichten gut datieren lassen. So ist etwa in Grönland nachweisbar, dass die Bleinutzung in Europa ab dem 5. Jh. v. Chr. zunahm – und ebenso, dass die Emissionen nach dem Ende des Römischen Reichs wieder sanken. Man sieht: Umweltverschmutzung war schon damals nicht lokal begrenzt.

Zu einem echten globalen Umweltproblem wurde Blei indes erst ab der Industriellen Revolution: Durch die großtechnische Verwendung des Metalls, durch das Verbrennen von Kohle (die Bleispuren enthält) und später v. a. durch verbleite Autotreibstoffe wuchsen die Bleimengen in der Umwelt auf mehr als das 200-Fache. Eisbohrkerne geben auch über dieses Kapitel der Umweltgeschichte im Detail Auskunft. Mit modernen Analysemethoden kann nämlich zusätzlich zum Alter einer Ablagerung auch die genaue Herkunft eruiert werden – denn jede Bleiquelle hat ein charakteristisches Verhältnis der Isotope Pb-206 und Pb-207.

Anhand von Proben aus Zentralgrönland konnten US-Forscher um Sophia Wensman nun für die Zeit nach 1750 mehrere Phasen klar abgrenzen (Anthropocene 38, 100340): Bis Mitte des 19. Jahrhunderts stammte die globale Bleiverschmutzung fast zur Gänze aus Großbritannien. Danach wurde die Kohleverbrennung in Europa und Nordamerika dominant. Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte dann australisches Bleierz als neue Verschmutzungsquelle auf. Und das folgende rasante Wachstum der Bleiemissionen (unterbrochen nur von Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg) wurde erst in den 1970er-Jahren durch die Einführung bleifreier Treibstoffe eingebremst.

Der Kampf gegen die Bleivergiftung der Welt ist aber noch nicht gewonnen: In jüngster Zeit wachsen die Bleiemissionen aus Asien stark.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2022)

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