Drogenkrieg

Mexiko: Militarisierung der öffentlichen Sicherheit

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Seit 2006 setzen Regierungen im Kampf gegen Kartelle das Militär ein – mit einem ernüchternden Ergebnis: noch mehr Tote.

Vor ein paar Tagen wurde er nach 33 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Miguel Ángel Félix Gallardo ist inzwischen 76 Jahre alt, blind auf einem Auge, taub auf einem Ohr, ein körperliches Wrack. 40 Jahre hätte der Mexikaner absitzen müssen, jetzt ist er im Hausarrest.

Die Netflix-Serie „Narcos Mexiko“ hat Félix Gallardo zur weltweiten Berühmtheit gemacht. Sie dokumentierte den Aufstieg des korrupten Dorfpolizisten zum „Jefe de jefes“, zum Boss der Bosse unter den mexikanischen Drogenbaronen. Der Mitbegründer des Guadelajara-Kartells war in den 1980er-Jahren ein Pionier beim Schmuggel von Kokain in die USA – Kokain, das ihm der 1993 getötete kolumbianische Drogenboss Pablo Escobar lieferte. Zum Verhängnis wurde Gallardo die Ermordung des Agenten der US-Drogenvollzugsbehörde (DEA) Enrique „Kiki“ Camarena im Jahr 1985. Vier Jahre später verschwand Gallardo wegen dieses Mordes hinter Gittern.


In der Netflix-Serie prophezeit Gallardo einem DEA-Agenten, der ihn im Gefängnis besucht, Chaos, Bandenkriege und noch mehr Gewalt, weil er als Oberboss nicht mehr für Ordnung sorgen könne. Ob je eine solche Begegnung stattgefunden hat, wissen wir nicht. Aber das Hineindriften Mexikos in einen Orkan der Gewalt, das hat es tatsächlich gegeben.
Seit 2006 die damalige Regierung von Präsident Felipe Calderón (2006–2012) den Kartellen den Krieg erklärt hat, sind im mexikanischen Drogenkrieg über 300.000 Menschen getötet worden; mehr als 100.000 Menschen gelten als vermisst; bis zu 50.000 Kinder und Jugendliche sind verwaist, weit über 200.000 ergriffen die Flucht, vor der Gewaltwelle. Seit 2017 weist die offizielle Statistik jedes Jahr über 30.000 Morde in Mexiko auf. Solche Zahlen kennt man normalerweise in Staaten, die von Bürgerkriegen heimgesucht werden.

Längst geht es in diesem innermexikanischen Gemetzel nicht mehr allein um Drogen, ihre Produktion, sichere Schmuggelrouten und lukrative Umschlagplätze. Längst sind Verbrecherbanden in Auftragsmorde, Entführungen, Erpressung, Raub, Menschenhandel, Prostitution, Produktpiraterie, Dokumentenfälschung, Handel mit gestohlenem Benzin und Gas verwickelt, ja kontrollieren den Markt für Avocados und Tortillas.
Und sie schmuggeln Waffen. Die mexikanischen Kriminellen können sich selbst modernste Waffen massenhaft aus den USA besorgen. Mittlerweile liefern die Mexikaner solche Waffen an kolumbianische Banden im Austausch für deren Kokain. Dieser Strom neuer Waffen wiederum befeuert innerkolumbianische Konflikte – Bandenkriege und bewaffnete Zusammenstöße der staatlichen Sicherheitskräfte mit Guerillagruppen und Milizen.

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