Das Ergebnis der Tirol-Wahl hilft dem ÖVP-Chef nicht – es löst aber auch keine akute neue Krise in der Partei aus.
25 bis 26 Prozent hatten manche Meinungsforschungsinstitute der ÖVP bei der Tirol-Wahl vorausgesagt. Ganz so schlimm kam es zwar nicht, die Landtagswahl war für die Volkspartei aber trotzdem ein Desaster: Sie stürzte von 44,3 auf 34,7 Prozent ab – das mit Abstand schlechteste Ergebnis in der Geschichte der erfolgsverwöhnten Landespartei. Auch in anderen Parteien gab es viele enttäuschte Gesichter: Die SPÖ erreichte weder die angestrebten 20 Prozent noch den zweiten Platz, die FPÖ gewann zwar rund drei Prozentpunkte dazu, war weit davon entfernt, wie angekündigt den Anspruch auf den Landeshauptmann zu stellen. Auch die Grünen mussten Verluste hinnehmen. Einzig die Liste Fritz konnte sich über eine Verdoppelung ihres Wähleranteils freuen.
Im Lichte eines Sieges wollen sich viele sonnen, bei einer zu erwartenden Niederlage bleibt die Parteiprominenz vorsichtshalber dem Ort des Geschehens fern: Aus der Bundes-ÖVP fanden sich am Sonntag lediglich die Tiroler in Innsbruck ein: An Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Staatssekretär Florian Tursky lag es, die Niederlage zu erklären.
Herber Verlust
Für Parteichef Karl Nehammer wird es jetzt aber trotzdem ungemütlich. Ein Absturz der ÖVP unter 30 Prozent wäre zwar noch katastrophaler gewesen und hätte wohl unmittelbar zu einer Führungsdebatte geführt, aber auch der herbe Verlust bei der ersten überregional bedeutende Wahl seit dem Abgang des früheren Parteichefs Sebastian Kurz wird jetzt zu einem guten Teil ihm angerechnet. Die Tiroler ÖVP hatte sich schon bemüht, den Parteichef aus dem Wahlkampf möglichst fern zu halten, ohne ihn aber offiziell ausladen zu müssen. Zudem hatte man den Parteinamen ÖVP versteckt und war als „Liste Mattle“ angetreten.
Offensichtlich ist: Nehammer ist es nicht gelungen, den Negativtrend zu stoppen. Die Partei steht unter dem Eindruck etlicher Skandale – von der Umfragen-Affäre bis zur Inseraten-Affäre des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Die beständige Beteuerung, man habe kein Korruptionsproblem, ist zu wenig, um eine Trendwende einzuleiten.
Was bedeutet das jetzt für die Bundespartei? Im nächsten Frühjahr finden drei Landtagswahlen statt, nämlich in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg, und da werden die Landesparteichefs alles daran setzen, ein ähnlich desaströses Ergebnis wie jetzt in Tirol abzuwehren. Brisant ist das vor allem im Fall Niederösterreichs, die Landes-ÖVP hat ja dominierenden Einfluss auf die Bundespartei – nicht nur Nehammer ist in der niederösterreichischen ÖVP politisch sozialisiert worden, sondern auch Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und der neue Generalsekretär Christian Stocker. Schwer vorstellbar, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner tatenlos zusieht, wenn sie Gefahr läuft, ihre absolute Mehrheit zu verlieren. Eine Richtungskorrektur ist nun ziemlich wahrscheinlich, ebenso aber auch eine personelle Veränderung an der Spitze. Nehammer hätte somit nur eine kurze Atempause gewonnen.