Die Sanktionen hätten von Anfang an auf Gas und Öl abzielen müssen, sagt Sicherheitsexpertin Mary Kaldor. Putins nukleare Drohungen hält sie für glaubhaft.
Die Presse: Sie haben kurz vor Kriegsbeginn gewarnt, dass Sanktionen die Bevölkerung stärker treffen als die Eliten. Waren die Sanktionen gegen Russland treffsicher?
Mary Kaldor: Die Sanktionen waren notwendig. Sie waren der einzige Weg, um unsere Empörung auszudrücken. Es bestand aber von Anfang an die Gefahr, dass sie die einfachen Leute stärker treffen als die Oligarchen. Es gab das Risiko, dass der Westen für die Sanktionen verantwortlich gemacht wird, nicht die russische Regierung. In den ersten Monaten gab es viel Solidarität mit Wladimir Putin.
Das scheint sich zu ändern, viele Russen wollen nicht für ihren Präsidenten in den Krieg ziehen.
Ich glaube die Erfahrungen des Kriegs spielen eine deutlich größere Rolle als die Sanktionen. Es gibt hohe Verluste auf russischer Seite, russische Soldaten laufen vor der ukrainischen Gegenoffensive davon. Junge Männer versuchen, der Mobilisierung zu entgehen. Wir hören von Protesten in den größeren Städten. Vielleicht wendet sich die öffentliche Meinung in Russland gegen Putin. Trotz der Sanktionen.
Gleichzeitig eskaliert Putin den Krieg weiter, die okkupierten Gebiete werden per Scheinreferendum annektiert. Sollte Russland angegriffen werden, droht Putin mit Atomwaffen. Blufft Putin?