Die Union kann keine wirkungsvollen großen russischen Sektoren und Firmen mehr boykottieren. Jene, die es noch gäbe, sind aus diversen Gründen tabu.
Die illegalen Scheinabstimmungen in drei von russischen Truppen besetzten Regionen der Ukraine über den Anschluss an die russische Föderation, dazu täglich neue Beweise für Kriegsverbrechen der russischen Armee und zudem die unverschleierte Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen: Russlands Diktator Wladimir Putin hat der Union allein vergangene Woche zahlreiche Anlässe serviert, neue Sanktionen zu erlassen. Am Wochenende berieten sich Diplomaten der Mitgliedstaaten mit den Fachbeamten jenen der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes dazu. Diese Woche soll die Kommission den Mitgliedstaaten als Ergebnis dieser Beratungen ihren Vorschlag für das siebente EU-Sanktionenpaket gegen Russland seit dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar präsentieren.
Schon jetzt ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit klar, was – mit Ausnahme einzelner neuer Reiseverbote und Vermögenssperren gegen russische Politiker, Beamte und Militärs – nicht in diesem Paket enthalten sein wird. Erstens verhallt der Ruf mehrerer Mitgliedstaaten, allen voran der Balten und Polens, nach einem Boykott der russischen Kernkraftindustrie. Der staatliche Konzern Rosatom ist nämlich für einige osteuropäische Mitgliedstaaten mit seinen Lieferungen von Brennstoffen und sonstigem für den Betrieb von Kernkraftwerken erforderlichen Leistungen derzeit unersetzbar. Das betrifft in erster Linie Ungarn, dessen Ministerpräsident, Viktor Orbán, die Sanktionen ohnehin fast gänzlich abschaffen möchte.