Sexueller Missbrauch

Missbrauch durch Wiener Lehrer: Wurde schon 2013 als Beschuldigter vernommen

Angezeigt hat ihn damals ein ehemaliger Teilnehmer eines Feriencamps im Bereich des Wolfgang Sees. Dort soll der Lehrer 20 Jahre lang als Betreuer tätig gewesen sein. Der Betreiber gibt an, von der Anzeige nichts gewusst zu haben.

Gegen den Lehrer, der an einer Wiener Mittelschule mehr als zwei Dutzend Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben soll, hatte schon 2013 ein konkreter Missbrauchsverdacht bestanden. Die Landespolizeidirektion Niederösterreich bestätigte am Mittwoch einen Bericht des "Standard". Wie Pressesprecher Raimund Schwaigerlehner mitteilte, wurde der Lehrer damals sogar von einem mittlerweile pensionierten Kriminalisten als Beschuldigter vernommen.

Angezeigt hatte den Lehrer ein ehemaliger Teilnehmer eines Feriencamps "im Bereich Wolfgangsee", wie Schwaigerlehner erklärte. Der Lehrer war dort - angeblich mit Unterbrechungen - von 1990 bis 2010 als Betreuer tätig. Die Beschuldigteneinvernahme habe deshalb in Niederösterreich stattgefunden, weil der vom Missbrauch Betroffene im Bezirk Baden wohnhaft war, sagte Schwaigerlehner. Der Übergriff soll 2006 stattgefunden haben, das Opfer war laut "Standard" damals 13 Jahre alt.

Unklar, was aus Anzeige wurde

Was aus der Anzeige wurde, ist derzeit unklar. Fest steht, dass sie nicht von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bearbeitet wurde, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl, am Mittwoch mitteilte. Polizeisprecher Schwaigerlehner erklärte, sie sei aufgrund des mutmaßlichen Tatorts am Wolfgangsee in ein anderes Bundesland - Salzburg oder Oberösterreich - weitergeschickt worden. Näheres lasse sich für die Polizei nicht mehr herausfinden. Aufgrund des Suizid des Lehrers nach einer Anzeige eines früheren Schülers im April 2019 "können wir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr auf den Akt zugreifen", erläuterte Schwaigerlehner.

Der Pädagoge, der 1996 als Lehrer pragmatisiert wurde, hatte seit 1990 für den Verein „Ferienhort" als Betreuer gearbeitet. Der Ferienhort ist eigenen Angaben zufolge ein gemeinnütziger und politisch unabhängiger Verein, der bereits seit dem Jahr 1888 besteht und Feriencamps für Kinder und Jugendliche am Wolfgangsee veranstaltet. Seitens der Einrichtung hatte es am Dienstag geheißen, es sei im Zusammenhang mit dem Pädagogen "bis heute kein Vorfall bekannt, der in unseren Camps stattgefunden hätte".

Feriencamp-Verein: „An uns ist niemand herangetreten"

Angesprochen auf die Anzeige, erklärte nunmehr Philipp Schrangl, Vorstandsmitglied und Rechtsberater des Vereins, man habe davon nie Kenntnis erlangt. "An uns ist niemand herangetreten. Sonst hätten wir 2013 alles in die Wege geleitet, um die Vorfälle aufzuklären", betonte Schrangl. Er bedauerte darüber hinaus, bis zuletzt nichts von möglichen Mittätern des Pädagogen gewusst zu haben: "Wir wissen bis heute nicht, ob die allfälligen Mittäter bei uns als Betreuer tätig gewesen sind oder nicht."

In einer von Opfervertretern bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebrachten Sachverhaltsdarstellung wird von zwei möglichen Mittätern des Lehrers ausgegangen. In der Anzeige wird gegen die beiden der Verdacht auf Missbrauch von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses geäußert.

Bei einem der beiden soll es sich um einen ehemaligen Schüler und späteren Freund des Pädagogen handeln. Er soll auffallend oft an Schulsportwochen und Veranstaltungen der Bildungseinrichtung teilgenommen haben, an der der Lehrer beschäftigt war. Mittlerweile soll ihn die Schulleitung mit einem Hausverbot belegt haben. Der zweite in der Anzeige genannte Mann soll ebenfalls in zumindest einem Sportverein engagiert gewesen sein.

Der Pädagoge war nicht nur als Ferienlager-Betreuer, sondern auch jahrelang in führenden Funktionen in Wiener Sportvereinen tätig. Er war Obmann eines Turnvereins und begleitete Kinder und Jugendliche zu Basketball-Turnieren.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sachverhaltsdarstellung

Missbrauch durch Wiener Lehrer: Hinweise auf Mittäter

Im Fall jenes Lehrers, der in Wien Schüler missbraucht haben soll, gibt es neue Erkenntnisse. Die Übergriffe auf Schüler sollen möglicherweise bis in die 1990er Jahre zurückreichen.
Sexueller Missbrauch

Weitere Betroffene von Missbrauch durch Wiener Lehrer gemeldet

Die Bildungsdirektion weiß aktuell von 25 bestätigten Missbrauchsfällen. Sichergestellte Fotos auf einem Datenträger des Lehrers würden allerdings auf deutlich mehr Opfer hindeuten.
Wien

Missbrauch an Wiener Mittelschule: Mindestens 25 Schüler betroffen

Neue Details zu einem schweren Missbrauchsfall: Ein Sportlehrer - er beging Suizid - soll 15 Jahre lang Buben sexuell missbraucht haben, auch innerhalb des schulischen Bereichs. Das hatte die Bildungsdirektion zuvor ausgeschlossen.
Übergriffe

Missbrauch an Wiener Schule: „Es wurde nichts vertuscht“

An einer Wiener Mittelschule soll ein Lehrer, der 2019 Suizid begangen hat, über Jahre hinweg mehr als 25 Buben missbraucht haben.
Nach Kindergarten-Fall

Missbrauch an Wiener Schule: Übergriffe offenbar seit 2004

Bei dem Missbrauchsverdacht in einer Wiener Mittelschule könnte es mehr als die zuletzt kolportierten 25 betroffenen Schüler geben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.