ORF

Debatte um ORF.at: Lob und Tadel für das "Angebot" des ORF-Chefs

++ THEMENBILD ++ ONLINENACHRICHTENSEITE ORF.AT
++ THEMENBILD ++ ONLINENACHRICHTENSEITE ORF.AT(c) APA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Im Publikumsrat war auch die mögliche Halbierung der Textmeldungen auf ORF.at Thema. Eine Gefahr, dass deshalb weniger Menschen die "blaue Seite" lesen, sieht ORF-Generaldirektor Weißman nicht.

Die von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann angekündigte Halbierung der Texte auf ORF.at auf 60 Meldungen pro Tag hat für Erstaunen bei Belegschaft, Publikumsräten und einzelnen Stiftungsräten gesorgt. In einer Sitzung des Publikumsrats versicherte der ORF-Chef: "Ich habe das gesamte Wohl des Unternehmens im Auge." In Verhandlungen müsse man aber auf andere zugehen, um etwas zu bewegen. Konkret ringt der ORF um eine Digitalnovelle. Diese sei auch für Fernsehen und Radio relevant, so Weißmann.

Die Textnachrichten auf ORF.at hätten ein etabliertes Publikum, das man verprellen könnte, wenn die Anzahl geschriebener Meldungen auf der "blauen Seite" zurückgehe, wurde am Mittwoch von so manchem Publikumsratsmitglied eingeworfen. Weißmann sah diese Gefahr nicht gegeben. "Ehrlicherweise sehe ich nicht, dass künftig weniger Menschen die 'blaue Seite' abrufen werden. Eher im Gegenteil", so der ORF-Chef. Er möchte die reichweitenstärkste Nachrichtenseite des Landes mehr in Richtung Bewegtbild und Multimedialität entwickeln. Die Weichen dazu seien ohnehin vor längerem gestellt worden. "Der Weg in Richtung Multimedialität ist eingeschlagen und den gehen wir auch konsequent weiter", sagte Weißmann.

ORF.at sieht er als künftige "Landing-Page". Wenn dem Medienhaus Online-first-Inhalte erlaubt sind, sollen die neuesten Nachrichten zuerst auf der "blauen Seite" zu sehen sein - mit einem Fokus auf selbstrecherchierte Geschichten. Weißmann glaube an die Nachrichtenseite und investiere dort auch. "Wir erweitern die Mannschaft der 'blauen Seite' um ein Fünftel. Wir bauen die Redaktion aus", so Weißmann, der selbst zwei Jahre als Geschäftsführer von ORF.at agierte. 66 Personen, die derzeit bei ORF.at arbeiten und damit bei einem Tochterunternehmen des öffentlich-rechtlichen Medienhauses tätig sind, werden im ORF angestellt.

Verlegerverband begrüßt die potenzielle Reduktion

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), begrüßte das von ORF-Chef Weißmann bei den Österreichischen Medientagen geäußerte "Angebot". Offenbar bestehe Einsehen, dass das gebührenfinanzierte Onlineangebot ORF.at in der aktuellen Form die Marktverhältnisse beeinflusst und die digitale Transformation der österreichischen Medienhäuser verlegerischer Herkunft behindere. "Das Angebot Weißmanns ist jedenfalls dazu geeignet, konstruktiv in weitere Gespräche einzutreten", so der VÖZ-Geschäftsführer.

"Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF darf damit um keinen Preis ausgehöhlt werden. Wenn dem so wäre, ist eine rote Linie überschritten", sagte Heinz Lederer, SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter im obersten ORF-Gremium. Eine substanzielle Veränderung des ORF im digitalen Bereich gehöre geprüft. Wenn die Inhalte dagegen in gleicher Qualität in Bewegtbild transformiert würden, könne man darüber reden. "Es braucht eine inhaltliche Klarstellung", forderte der Stiftungsrat.

"Eine neue Dynamik in den Verhandlungen zur Digitalnovelle auszulösen, ist in Ordnung. Wenn der Partner allerdings die ausgestreckte Hand nicht ergreifen sollte, muss der gesetzliche Auftrag des ORF im Onlinebereich noch weiter ausgeschöpft werden", meinte Lederer. Der Stiftungsrat kritisierte zudem, dass der Großteil der betroffenen Mitarbeiter aus den Medien von der Ankündigung Weißmanns erfahren habe.

Protest von Redakteursrat und Betriebsrat 

Redakteursrat und Betriebsrat von ORF.at protestierten bereits am Tag nach der Ankündigung in einem Schreiben gegen den geplanten Schritt. Die Beschneidung der meistgelesenen Nachrichtenseite des Landes berge große Risiken für die demokratiepolitische Entwicklung, hieß es. Der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats, Dieter Bornemann, kommentierte die Pläne in einem Ö1-Beitrag ebenfalls kritisch. Nutzer könnten sich infolge anderen Gratis-Plattformen mit politischer Agenda oder gar Fake-News zuwenden, so seine Befürchtung.

Die Richtung für die Zukunft der "blauen Seite" könnte das Mitte November startende und ursprünglich für den ORF-Player geplante Modul "Topos" vorgeben. Es wurde von der KommAustria bereits genehmigt und sieht eine Bündelung von Kultur, Wissenschaft, Religion und Wissenschaft vor. Wie es genau aussieht, ist nicht bekannt. Weißmann sprach am Mittwoch von einem "multimedialen Crossover".

ORF-Gesetz

Das ORF-Gesetz schreibt dem ORF zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags ein Online-Angebot vor. Insbesondere solle es sendungsbegleitende und in direktem Zusammenhang mit seinen Rundfunkprogrammen stehende Inhalte umfassen.

Konkret ist von einer tagesaktuellen Überblicksberichterstattung die Rede. Diese "besteht aus Text und Bild und kann einzelne ergänzende Audio-, audiovisuelle und interaktive Elemente sowie Podcasts (Audio und Video) umfassen", heißt es im ORF-Gesetz.

Die Berichterstattung darf nicht vertiefend und in ihrer Gesamtaufmachung auch nicht mit dem Online-Angebot von Zeitungen vergleichbar sein. Eine verpflichtende Beschränkung nach Meldungsanzahl liegt derzeit nur auf Bundesländerebene vor. Pro Kalenderwoche und Bundesland sind 80 Tagesmeldungen zulässig.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Medientage

ORF.at künftig mit deutlich weniger Inhalten

ORF-Chef Weißmann kündigte auf den Medientagen an, dass künftig weniger Inhalte, dafür mehr Bewegtbild und multimediale Formate Platz finden werden.
Medientage

Russischer Youtuber Katz nennt Putin "verrückt"

Noch sei Youtube in Russland frei – und dort spiele sich der Großteil des unabhängigen Journalismus ab, schilderte Maxim Katz bei den Medientagen in Wien.
�STERREICHISCHE MEDIENTAGE 2022: SALOMON / WEISSMANN / WEHRSCH�TZ
Medientage

ORF-Chef Weißmann: "Wir fahren kleinere Dienstautos"

Bei den Medientagen sprach der ORF-Chef über Vorwürfe der Unausgewogenheit und Freunderlwirtschaft. Styria-CEO Markus Mair wehrte sich gegen "journalistischen Einheitsbrei“ und Ministerin Edtstadler lobte den Medienstandort Österreich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.