Saudiarabien

Der einstige saudische "Paria" ist am Zenit seiner Macht

APA/AFP
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Kronprinz Mohammed bin Salman, vom Westen neuerdings wieder hofiert, wurde von seinem Vater auch zum Premier befördert.

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Es ist bloß eine Formalie, doch sie zementiert den Status des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) in der Hierarchie des saudischen Königshauses. König Salman hat seinen Sohn nun auch zu seinem Nachfolger als Premierminister bestimmt. Zugleich schürt die Personalie wohl Spekulationen über den Gesundheitszustand des 86-jährigen Monarchen. Nach mehreren Spitalsaufenthalten in den vergangenen Jahren macht er sich in der Öffentlichkeit rar.

Schon bisher galt der 37-Jährige als De-facto-Herrscher, der das Land nach außen vertritt und im Inneren eine gewisse gesellschaftliche Liberalisierung und eine Entmachtung der Religionspolizei forciert. Insbesondere Frauen kommen in den Genuss einer Lockerung – am Arbeitsplatz oder hinter dem Lenkrad. An der Exekution drakonischer Strafen hat sich indes nichts geändert.

Intern ging Mohammed bin Salman brutal gegen Widersacher vor.

Mohammed bin Nayef, den zuvor kaltgestellten Kronprinzen, hat er 2020 wegen angeblicher Putschgefahr unter Hausarrest gestellt. Unter dem Vorwand einer Antikorruptionskampagne hatte er bereits 2017 Dutzende Prinzen und Wirtschaftsmagnaten zum Teil für Monate in das Luxusgefängnis des Ritz-Carlton-Hotels in Riad sperren lassen. Auch Saad Hariri, den damaligen libanesischen Premier, hielt er wegen vermeintlicher Beziehungen zur Hisbollah und somit zum Erzfeind Iran für mehrere Tage in der saudischen Hauptstadt fest.

Mastermind im Khashoggi-Komplott

Als bisheriger Verteidigungsminister und selbst ernannter Visionär („Vision 2030“) diktiert MbS die politische Linie der Regionalmacht auf der Arabischen Halbinsel. Mit 29 Jahren zum Armeechef ernannt, hat er das Land 2015 gleich in das Desaster des Jemen-Kriegs gegen die Houthi-Rebellen geführt. Unter dem Druck der USA hält eine Waffenruhe den Konflikt auf kleiner Flamme.

International spielte MbS vor allem im Mordkomplott gegen Jamal Khashoggi eine berüchtigte Rolle. Im Oktober 2018 hatte ein Kommando mit direkter Verbindung zum Kronprinzen den Exil-Kolumnisten und Kritiker des Königshauses im saudischen Konsulat in Istanbul mit einer Säge zerstückelt und die Leiche anschließend in Mafia-Manier verschwinden lassen. Die CIA ließ wenig Zweifel daran, dass sie Mohammed bin Salman für das Mastermind des Anschlags hält.

Vermittler im Gefangenentausch

Joe Biden, damals Präsidentschaftskandidat, punzierte den Kronprinzen als „Paria“. Saudiarabien müsse einen Preis für den Anschlag bezahlen, drohte er. In einem Alibi-Prozess verurteilte ein saudisches Gericht elf Verdächtige, zwei Berater des Kronprinzen wurden vorläufig in die Wüste geschickt. International geriet Mohammed bin Salman in Isolation, der Westen boykottierte einen von ihm einberufenen Wirtschaftsgipfel.
Vier Jahre später ist MbS, der unter Donald Trump hoch im Kurs gestanden war, am Zenit seiner Macht, hofiert von Staats- und Regierungschefs im Westen wie im Osten. Nur die Teilnahme am Staatsbegräbnis der Queen sagte er kurzfristig ab. Die Geopolitik, der Ukraine-Krieg und die Explosion der Energiepreise haben den saudischen Potentaten ins Zentrum des Interesses gerückt.

Er reiste in die Golfstaaten, nach Athen und Paris, nach Ankara, Kairo und Amman. In Saudiarabien empfing er Recep Tayyip Erdoğan, dessen Geheimdienst ihn beim Khashoggi-Attentat via Telefonmitschnitt hatte auffliegen lassen, Emmanuel Macron, Boris Johnson und zuletzt Olaf Scholz. Selbst Joe Biden setzte sich über die Kritik von Menschenrechtsaktivisten hinweg, um beim Treffen des Golf-Kooperationsrats im Juli in Dschidda den Gastgeber zur Erhöhung der Ölproduktion zu bewegen. Ein Faustgruß statt eines Handschlags sollte die Missbilligung des US-Präsidenten demonstrieren.

Von Wolodymyr Selenskij bis Liz Truss erntete MbS jüngst schließlich Dank, als er seine Beziehungen in den Kreml spielen ließ, um die Freilassung ukrainischer Kommandanten und westlicher Kriegsgefangener im Rahmen eines Austauschs zu erreichen.

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