Josephinum

Ein "sehr spezielles Haus" öffnet wieder seine Pforten

Reiner Riedler
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Nach der rund elf Millionen Euro teuren Sanierung ist das Josephinum, das medizinhistorische Museum der Medizin-Uni Wien, wieder für das Publikum zugänglich.

Nach knapp vierjähriger Renovierung ist das Josephinum, das medizinhistorische Museum der Medizin-Uni Wien, seit vergangenem Donnerstag wieder für das Publikum zugänglich. Im Auftrag der
Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) wurden Bausünden der
Vergangenheit rückgebaut, originale Wandmalereien freigelegt und der historische Hörsaal wieder hergestellt. Mit neuen Schausälen bietet das Haus einen Streifzug durch die Medizingeschichte mit den
berühmten anatomischen Wachsmodellen im Mittelpunkt.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Das Josephinum wurde 1785 nach Plänen des Hofarchitekten Isidor
Canevale fertiggestellt. Das Gebäude in der Währinger Straße in
Wien Alsergrund gilt als bedeutendes Beispiel klassizistischer
Architektur in Wien, neben der heutigen Nationalbibliothek am
Josefsplatz ist es der einzige Repräsentativbau, der auf Joseph II.
zurückgeht. Dieser gründete mit dem Josephinum eine
militärisch-chirurgische Akademie, um die Ausbildung der Chirurgen
auf neue Beine zu stellen und aus Handwerkern akademisch
ausgebildete Ärzte zu machen.

„Stars" der Sammlung

Dazu kaufte der Kaiser - dem zwei Ausstellungsräume gewidmet sind - zu Lehrzwecken rund 1200 in Florenz gefertigte anatomische
Wachsmodelle an. Neben den geburtshilflichen Wachsmodellen, die
einen ganzen Saal füllen, sind die lebensgroßen Ganzkörpermodelle
die "Stars" der Sammlung, darunter die "Mediceische Venus", ein
weibliches Ganzkörpermodell mit blonden Haaren, geschminkten Lippen und Perlenkette - und herausnehmbaren inneren Organen.

(c) APA/EVA MANHART (EVA MANHART)

"Der Eindruck, dass diese weiblichen Wachsmodelle posieren,
täuscht. Die Haltung hat medizinische Gründe. Ein Modell hat etwa
die Hand gehoben, um die Lymphgefäße unter der Achsel zu zeigen", erklärte die Direktorin des Josephinums, Christiane Druml, anlässlich der Präsentation des sanierten Gebäudes. Die  Wachsmodelle sind wieder in historischer Aufstellung
in ihren Originalvitrinen aus Rosenholz und mundgeblasenem,
venezianischem Glas zu sehen.

Auf der rund 1000 Quadratmeter umfassenden Ausstellungsfläche
wird ein Bogen von der Medizingeschichte im 18. Jahrhundert über die dunklen Kapitel des Fachs im Nationalsozialismus bis zu jüngsten
Innovationen wie der an der Med-Uni Wien entwickelten bionischen
Hand gespannt. Breiter Raum wird etwa der chirurgischen
Instrumentensammlung des kaiserlichen Leibarzts und ersten
Josephinum-Direktor Alessandro Giovanni Brambilla gewidmet. Zu sehen ist auch das erste, von Philipp Bozzini entwickelte - noch mit
Kerzen beleuchtete - Endoskop der Welt aus 1806, gleich neben
modernsten Endoskopen und mit ihnen hergestellte Videos aus dem
Körperinneren.

(c) APA/EVA MANHART (EVA MANHART)

Die Schrecken des Ersten Weltkriegs zeigen die - großteils
verhüllten - Gipsbüsten des Militärarztes Juljan Zilz mit
entsetzlichen Schädelverletzungen. Von Zeiten, in denen man annahm, aus anatomischen Merkmalen auf bestimmtes Verhalten zu schließen, zeugen etwa die Abformung des Kopfs des vermeintlichen Massenmörders Bruno Lüdke oder Zeichnungen aus der Wiener Heilpädagogik von Kindern, die als schwer erziehbar galten. Quasi als Mahnmal an die Gräuel des Nazi-Regimes fungieren meterlange Regale mit Gläsern, in denen die Gehirne der Kinder vom Spiegelgrund aufbewahrt wurden, bevor sie bestattet wurden.

Publikumswirksamer sind dagegen wohl Briefe und ein
handgeschriebener Lebenslauf von Sigmund Freud. Und ein Schlaglicht auf die Geschichte der Gerichtsmedizin wirft die Feile, mit der Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet wurde.

Ein „sehr spezielles Haus"

Reiner Riedler

Nach der rund elf Mio. Euro kostenden Sanierung kann das Gebäude
wieder zentral über den Haupteingang betreten werden. Für den
Projektleiter der Renovierung, Clemens Novak, von der BIG ist das
Josephinum ein "sehr spezielles Haus". Schließlich sei nicht nur das
historische Gebäude erhalten geblieben, sondern auch die Ausstattung in ihrer Gesamtheit, und das bei einer durchgehend gleichen Nutzung über 250 Jahre.

Davon zeugt auch ein Herzstück des Josephinums, der historische,
ursprünglich über zwei Stockwerke reichende Hörsaal. Dieser wurde
wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt, eine in den 1940er Jahren eingebaute Zwischendecke entfernt und dabei auch originale Wandmalereien von 1785 freigelegt. Der neun Meter hohe Hörsaal soll künftig für wissenschaftliche Veranstaltungen genutzt werden, "schließlich sind wir eine Tochter der Medizinischen Universität Wien", so Druml, aber auch für Veranstaltungen und Konzerte.

Zudem bietet das neu entwickeltes Museumskonzept auch Raum für
Sonderausstellungen, derzeit mit Fotos vom Baugeschehen. Druml, die auch Vorsitzende der Bioethikkommission ist, will im Josephinum aber auch aktuelle bioethische Debatten thematisieren. Mehr Infos unter: www.josephinum.ac.at

(APA/red.)

>> Neues Josephinum? Neues Museum! [premium]

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