Der grüne Werner Kogler zerredete stundenlang das Budget – ohne Toilettenbesuch. Und stellte damit den Rekord von Parteikollegin Madeleine Petrovic ein. Die Rede war nur ein Teil der grünen Protestmaßnahmen.
Wien. Die Kollegen von den anderen Fraktionen hatten ihm Bier, Kaffee und Red Bull hingestellt. Doch Werner Kogler verweigerte die harntreibenden Substanzen. 12 Stunden und 42 Minuten sprach er durchgehend im Parlament – ein Toilettenbesuch hätte ein Ende seines Rederechts bedeutet.
Am Donnerstag um 13.18 Uhr hatte der grüne Budgetsprecher mit seiner Rede im Budgetausschuss begonnen. Er zerpflückte in freier Rede die Details des von der Regierung vorgelegten Budgets für 2011. Erst am Freitag um zwei Uhr morgens endete er. Physisch wäre er locker in der Lage gewesen, „noch zwei, drei Stunden“ weiterzureden, aber er sei mit dem Stoff, den er sich vorgenommen hatte, weitgehend durch gewesen.
Die meisten Kollegen von den anderen Parteien zollten ihm nach seiner Rede Tribut für die Leistung und klopften ihm auf die Schulter. Der Ausschuss selbst endete erst kurz vor drei Uhr in der Früh – da es sich einige Abgeordnete nicht nehmen ließen, auch noch nach Koglers Marathonrede etwas zu sagen. Der Budgetvoranschlag wurde letztlich mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen.
Eine „Widerstandsaktion“
Ein wenig gezeichnet – denn Kogler war auch noch verkühlt –, aber doch recht munter, stand Kogler dann Freitagmittag in einem Hotel im 7. Bezirk den Journalisten Rede und Antwort. Es sei einerseits eine „Widerstandsaktion“ gegen den Verfassungsbruch gewesen, den die Regierungsparteien mit der Verschiebung des Budgets begangen hätten. Andererseits habe er Aufmerksamkeit für die grünen Anliegen erregen wollen: die Rücknahme der Kürzung bei Familienbeihilfe und Pflegegeld sowie eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung für die Unis und Schulen.
Und das sei noch nicht alles gewesen: Sollte die Regierung bis Montag nicht einlenken, so Kogler, würden die Grünen in der Plenarsitzung am Montag eine „mindestens zweistellige“ Anzahl von Abänderungsanträgen einbringen und namentliche Abstimmungen verlangen. Dies würde die Plenarsitzung beträchtlich verlängern.
Mit seiner Rede stellte Kogler den bisherigen Rekord seiner Parteikollegin Madeleine Petrovic ein. Diese hatte 1993 im Nationalrat 10Stunden und 35 Minuten gegen die Tropenholzgesetz-Novelle angeredet. Danach wurde das Gesetz geändert. Im Plenum des Nationalrats gibt es seither eine Redezeitbeschränkung. Für Ausschüsse – wie nun bei Kogler – gilt dies nicht.
Filibuster-Rekordhalter ist US- Senator Strom Thurmond. Er redete 1957 24 Stunden und 18 Minuten gegen die Gleichberechtigung der Afroamerikaner an – und zitierte dabei auch aus Großmutters Kochrezepten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2010)