Schmerz im Taxi und was das Leben leichter macht

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Niemand steigt so rasch in das Seelenleben anderer ein wie Wiener Taxifahrer.

Löst der Zahnarztbesuch mehr als alle anderen Beschäftigungen eine Auseinandersetzung mit metaphysischen Fragen aus? Ich glaube: ja. Wenn der Behandlungsstuhl langsam nach hinten kippt, ist man auch physisch zurückgeworfen – auf sich selbst, natürlich. Man bleibt, bis auf gelegentliches Wimmern, sprachlos. Und völlig ausgeliefert. Kann man wissen, was gerade passiert? Was kann man schon tun? Darf man hoffen, zumindest auf ein baldiges Ende? Und für die düsteren Gemüter: Hat der Schmerz nicht vielleicht irgendetwas Gutes?

Jedenfalls, sagt der Taxifahrer nach der Behandlung, ist Schmerz gut. Er erklärt das ungefragt (irgendwann sollte jemand erforschen, wie die Wiener Taxler das machen mit dem Direkteinstieg in das Seelenleben ihrer Kunden). Man braucht den Schmerz, meint er, um die guten Tage als solche erkennen zu können. Denn Schmerz mache bescheiden. Übrigens nicht nur das: Schmerz macht auch empathisch, wie schon länger ganz gut erforscht ist. Und neuerdings weiß man, dass es sogar noch eine Stufe weiter geht: Forscher haben belegt, dass sich Schmerz auch tatsächlich auf die Hilfsbereitschaft auswirkt. Also genauer gesagt: dass man anderen weniger wahrscheinlich hilft, wenn man Schmerzmittel eingenommen hat.

Vielleicht sollte man also, wenn man künftig allzu Gleichgültigen gegenübersteht, Milde walten lassen. Könnte ja sein, dass sie eigentlich eh nett sind und hilfsbereit, aber gerade der Ischias zwickt oder der Kopf dröhnt und eine Tablette der Grund für einen Mangel an Hilfsbereitschaft ist. Macht das Leben auch nicht leichter? Na ja, man kann die Leute immer noch zum Zahnarzt schicken. Wenn er keine besseren Menschen aus uns macht, regt er zumindest die Gedanken an.

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