Neue Details

Missbrauch durch Wiener Lehrer: Kommission weitet Erhebungen aus

Ein Sportlehrer soll an einer Wiener Mittelschule Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben. An der Schule werden nun Vorgänge ab 1996 untersucht. Es gebe Hinweise auf „inakzeptables“ Fehlverhalten.

Die Wiener Bildungsdirektion hat auf jüngste Medienberichte mit immer mehr Details zu den Missbrauchsvorwürfen rund um einen Sportlehrer an einer Wiener Mittelschule reagiert, der mehr als zwei Dutzend Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben dürfte und womöglich zwei Mittäter hatte. Die Erhebungen einer eigens eingesetzten Untersuchungskommission werden ausgeweitet, wurde am Donnerstagabend mitgeteilt.

Man nehme die neu bekannt gewordenen Vorwürfe sehr ernst und setze alles daran, "an deren lückenloser Aufklärung mitzuwirken", hieß es in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme. Die Kommission, die aus Mitgliedern der Bildungsdirektion, der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien besteht, wird nun auch Meldungen über allfällige übergriffige Vorgänge an der Schule ab 1996 untersuchen - seit diesem Jahr war der Sportlehrer als pragmatisierter Pädagoge bis zu seinem Selbstmord im Mai 2019 an der Bildungsstätte tätig. Folglich werden nun auch Briefe an ehemalige Schülerinnen und Schüler aller Jahrgänge bis 1996 verschickt. Zuletzt hatten sich die Briefe auf Absolventen der Jahrgänge bis 2004 beschränkt.

Darüber hinaus appellierte die Bildungsdirektion an Betroffene und alle, die zweckdienliche Hinweise zur Aufklärung dieser Vorfälle haben, sich direkt an die Kommission zu wenden, "damit diese den Vorwürfen gezielt nachgehen kann". Die Kontakt-E-Mail-Adresse dafür lautet kommission@bildung-wien.gv.at.

Fotos in der Sauna

An der Mittelschule hatte es von Eltern und Schülern sehr wohl Beschwerden über den Sportlehrer gegeben, wovon sich am Donnerstag für einige konkretisieren ließen. So dürfte bei einem Skikurs in Salzburg ein Schüler die Nacht im Zimmer des Sportlehrers verbracht haben, was Mitschülern komisch vorkam. Sie sprachen andere Lehrer darauf an, die das mit der Bemerkung abgetan haben sollen, der Schüler habe "halt Heimweh". Am selben Skikurs soll der Sportlehrer mit Schülern in die Sauna gegangen sein und dabei Fotos angefertigt haben, die dann auf USB-Sticks die Runde machten. Das bekamen einige Eltern mit - auf deren Beschwerden soll seitens der Schulleitung nicht reagiert worden sein.

Zu den Fotos in der Sauna hielt die Bildungsdirektion fest: "Der Kommission liegen substanzielle Hinweise dafür vor, dass es hier zu einem inakzeptablen und eventuell auch rechtswidrigen Fehlverhalten gekommen ist". Ob und inwieweit weitere Personen neben dem Sportlehrer involviert waren, sei noch Gegenstand der Untersuchungen: "Die Kommission erwartet in diesem Zusammenhang weitere Beweismittel und wird morgen in dieser Sache eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermitteln. Um etwaige Ermittlungen in diesem Zusammenhang nicht zu gefährden, bitten wir um Verständnis dafür, dass weitere Details dazu vorläufig nicht veröffentlicht werden können."

Hinsichtlich der Nächtigung eines Kindes im Zimmer des Lehrers hätten sich bisher keine weiteren Hinweise darauf ergeben, dass ein Kind im Bett des Lehrers übernachtet haben soll. "Die Kommission hat daher Kontakt mit dem mutmaßlichen Opfer aufgenommen, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen", hieß es seitens der Bildungsdirektion.

Sportlehrer beging Suizid

Als im Frühjahr 2019 bei dem Sportlehrer eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, hatte wenige Monate zuvor ein neuer Direktor die Schulleitung übernommen. Bereits im Spätsommer 2019 gingen ein Zeuge und seine Mutter zur Bildungsdirektion und beschwerten sich über den neuen Schulleiter, weil sich nach den im Zuge des Suizids des Pädagogen aufgekommenen Missbrauchsvorwürfen schulintern nichts getan habe. "Die Kommission kann bestätigen, dass es diesen Vorwurf einer Mutter gab", wurde mitgeteilt. Die damals bzw. alle bisher durchgeführten Befragungen hätten bisher keine Hinweise auf ein dienstrechtliches Fehlverhalten geliefert. Aufgrund eines Hinweises der Opfer-Anwältin finden am kommenden Montag allerdings weitere Befragungen zu diesem Thema statt.

Service

Für Beratung und Unterstützung können sich Betroffene und mögliche Betroffene an folgende Anlaufstellen wenden:

• Schulpsychologischer Dienst

Telefon: +43 1 525 25-77550, E-Mail: schulpsychologie@bildung-wien.gv.at

• Kinder- und Jugendanwaltschaft

Telefon: +43 1 70 77 000, E-Mail: post@jugendanwalt.wien.gv.at

• Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien

Telefon: +43 1 4000-80 11, E-Mail: service@ma11.wien.gv.at

(APA)

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