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"Die Kaiserin": Eine Sisi für alle Welt

Philip Froissant und Devrim Lingnau in der deutschen Netflix-Serie "Die Kaiserin".
Philip Froissant und Devrim Lingnau in der deutschen Netflix-Serie "Die Kaiserin".(c) Netflix
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Das Sisi-Revival geht weiter: Nach einer ORF-Serie und Marie Kreutzers Film „Corsage“ legt Netflix „Die Kaiserin“ nach. Erstaunlich vergnüglich!

So viele Schuhe! Elisabeth von Wittelsbach staunt nicht schlecht, als sie erstmals der habsburgischen Latschen-Kollektion ansichtig wird. Eine Kaiserin dürfe kein Paar zweimal anziehen, meint Gräfin Esterházy zu ihr – daher würde gebrauchtes Schuhwerk jeden Tag entsorgt. „Das ist Verschwendung!“, entfährt es Sisi. Darauf die Hofdame: „Das ist Schönbrunn!“

Jaja, diese Österreicher mit ihrer liebenswerten Dekadenz! Da wähnt man sich kurz fast in alten, heimischen Sisi-Gefilden, Franzerl-Geflöte und k.-u.-k.-Kitsch inklusive. Aber, ach! Es ist nur ein flüchtiger Augenblick. Denn österreichisch ist an „Die Kaiserin“, dem Netflix-Beitrag zum laufenden Sisi-Revival in der Popkultur, nichts – abgesehen von Michael Fuiths Kurzauftritten als Erzherzog Franz Karl und schmucken Kostümen von Michaela Mayer und Monica Ferrari-Krieger. Produktion, Skript, Regie und ein Gros der Besetzung sind deutsch, gedreht wurde vor allem in Bayern, und die inhaltliche wie ästhetische Ausrichtung ist, Netflix-konform, entschieden international.

Das hat Vor- und Nachteile. Die bislang sechsteilige Serie wirkt trotz ihrer Verortung in realer Historie enorm unspezifisch. Diese Sisi könnte im Grunde auch eine x-beliebige Märchenprinzessin sein. Kenner der wahren Geschichte werden sich angesichts der künstlerischen Freiheiten, die sich „Die Kaiserin“ nimmt, wohl im Minutentakt an den Kopf greifen. Andererseits: Ein Unterhaltungsprodukt, das dramaturgisch so gut getaktet ist und dabei einen so eleganten Spagat schlägt zwischen den traditionellen Ansprüchen des Kostümgenres und den Bedürfnissen eines jüngeren Publikums, muss man hierzulande immer noch mit der Lupe suchen – trotz des achtbaren Versuchs, den der ORF und der Privatsender RTL mit ihrer eigenen „Sisi“-Serie (2021) gewagt haben.

Franz Joseph, ein sensibler Boyfriend

Das beginnt schon beim Cast: Devrim Lingnau ist als eigenwillige, temperamentvolle Landadel-Pomeranze, die ihrer fügsamen Schwester unabsichtlich den Kaiser ausspannt, ideal besetzt. Sie pendelt glaubhaft zwischen der Sehnsucht nach protofeministischer Autonomie und ihren Gefühlen für Franz Joseph (Philip Froissant). Der wiederum erscheint als Kreuzung aus anachronistisch sensiblem Boyfriend und Michael Corleone aus „Der Pate“. Wider besseren Willen wird der rechtschaffene Feschak von seinem in doppelter Hinsicht eifersüchtigen Bruderherz Maximilian in Kriegswirren hineinintrigiert – Johannes Nussbaum, übrigens in Wien geboren, spielt den tragikomischen Nachkömmling mit unwirschem Blondschopf und genüsslicher Ranküne.

Stark ist auch Melika Foroutan als hartgesottene Schwiegermutter Sophie, die Sisi aus Staatsräson „brechen“ will – und sich doch in ihr wiedererkennt. Wäre die Lovestory nicht so süß, könnte man „Die Kaiserin“ fast als (etwas trashige) Vorgeschichte zu Marie Kreutzers Film „Corsage“ betrachten – manche Motive daraus kommen auch hier vor. Ästhetisch ist die Serie freilich glatter, eingepackt in den dämpfenden Schleier digitaler Farbkorrektur. Dafür aber auch geschmeidiger, mit agiler Kameraführung und intimen Berührungsbildern. Regie führten Florian Cossen und Katrin Gebbe („Pelikanblut“).

Übrigens: Ein bisserl Österreich-Feeling kommt wenigstens im – wahrscheinlich zufällig – brandaktuellen Krimkriegs-Plot der Show auf. Franz Jospeh ringt darin nämlich mit aller Kraft um die Neutralität.

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