Kabarett

Christoph Fritz: Unverwundbar sein ist unpraktisch

Lukas Fassl
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In seinem zweiten Solo „Zärtlichkeit“ berührt Christoph Fritz Herz und Hirn. Mit minimalistischer Kunst spielt er sich in absurde Höhen mit fabelhaften Begegnungen.

Bei Zärtlichkeit geht es meist auch um Verletzlichkeit. Diesen Aspekt arbeitet Christoph Fritz in seinem zweiten Soloprogramm „Zärtlichkeit“ gut heraus. Die Premiere war Ende September im Stadtsaal an der Wiener Mariahilfer Straße. Der Applaus war groß. Über die Verletzlichkeit macht sich Christoph Fritz einige Gedanken in dem Stück, bei dem er wieder mit minimalistischen Mitteln die Bühne einnimmt. Ein Traum wäre, unverwundbar zu sein, wie Achilles es (beinahe) war: Aber das ist unpraktisch. Vor allem bei einer Blinddarmoperation: „Da müssten die Ärzte über die Achilles-Ferse bis zum Darm hineingehen.“

Der trockene Schmäh von Fritz ist bestechend, und diesmal prägt sich ein neuer Kommunikationstrick ein, den Fritz am Publikum ausprobiert: Er trennt die verbale von der non-verbalen Kommunikation und zeigt erst nach dem gesagten Inhalt die passende Emotion in seinem Gesicht. Ausprobiert hat Fritz vor seiner Premiere so einiges: Im Kabarett Niedermair füllte er vor dem Sommer einige Abende mit der Show „Try out“, in der er Teile des neuen Programms an den Versuchskaninchen namens Publikum testete. Die Erfolge dieser cleveren Idee tragen Früchte, denn in „Zärtlichkeit“ sitzt jedes Wort, jede Geste, jeder Gesichtsmuskel. Dazu tragen auch die zwei Regisseur:innen Sonja Pikart (Kabarettistin) und Sebastian Huber (Die Tagespresse) bei.

Zuerst reden, dann lächeln

Die absurde Trennung von verbaler und non-verbaler Kommunikation ergibt besonders komische Ausführungen vom „ersten Mal“, nach dem sich Fritz gar nicht sicher war, ob er jetzt noch Jungfrau ist oder doch nicht. „Aber etwas vorzeitig und unbefriedigend zu beenden finde ich sehr typisch österreichisch: Wenn man sich die vergangenen Legislaturperioden anschaut.“ Insgesamt legt Fritz das ganze Programm an wie ein Date oder den Beginn einer wunderbaren Beziehung: Zuerst tritt er ohne Brille auf, weil er schöner sein will. Und sobald man sich ein bisschen näher kennt, geht es schon um Sex. Aber erst danach spricht er das Publikum per Du an.

Er geht darauf ein, wer sich lächerlich in einer Beziehung oder im Bett macht. Und richtet diese Gedanken nicht nur an die Zuschauer, sondern an seine Psychotherapeuten. Wobei die erste nach Fritz den Job gekündigt hat, „weil ich sie zu sehr runtergezogen hab.“

Huhn und Igel erleben amouröse Abenteuer

Ja, es liegt derzeit im Trend, dass junge Männer auf der Bühne oder in Büchern über ihre Erfahrungen mit Psychotherapie sprechen: Doch es tut auch bei „Zärtlichkeit“ gut, die Enttabuisierung von Mental Health voranzutreiben. Hier werden Depressionen nicht totgeschwiegen, sondern sind Anknüpfungspunkt zum Leben der Zuschauerinnen und Zuschauer. Christoph Fritz: „Ich sehe tote Menschen.“ Therapeut: „Ja. Wer nicht?“.

Auch urologische Erlebnisse prägen das Programm. Die Beschreibungen aus der Ordination sind kaum zu trennen von den Erzählungen seiner sexuellen Erfahrungen. Die zweite Hälfte des Stücks driftet sogar in die Fabelwelt ab, mit Huhn und Igel – und Bildern im Kopf, die man nie mehr vergisst. Das Geheimnis seines Bühnenerfolgs: Fritz erzeugt bestimmte Erwartungen, die er dann partout nicht erfüllt. Die Pointe kommt meist quer geschossen, trocken und nüchtern daher. Mehrmals fällt der Satz, dass wir Menschen aus Atomen bestehen und Atome berühren sich niemals. Dieser Abend mit Christoph Fritz berührt aber sehr wohl: Herz und Hirn.

Christoph Fritz: „Zärtlichkeit", nächste Termine: 1.10. im Stadtsaal, 3.10 im Kabarett Niedermair, 6.10 im Casanova

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