Biologie

Langjährige Freundschaft mit Raben

Thomas Bugnyar hat Verhaltensforschung eigentlich mit Affen begonnen. Doch seit der Dissertation steht er auf Raben.
Thomas Bugnyar hat Verhaltensforschung eigentlich mit Affen begonnen. Doch seit der Dissertation steht er auf Raben. Die Presse/Clemens Fabry
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Der weltbekannte Rabenforscher Thomas Bugnyar von der Uni Wien beschreibt in seinem Buch die Intelligenz der großen Vögel und den Zusammenhalt ihrer Gemeinschaften.

Klar entstehen Freundschaften. „Auch wenn man es als Wissenschaftler vermeiden sollte. Aber als Mensch ist es unmöglich, dass man nicht eine soziale Bindung zu den Tieren aufbaut“, sagt Thomas Bugnyar. Er forscht seit mehr als 25 Jahren an Raben, über deren „erstaunliche Intelligenz und soziale Fähigkeiten“ er nun mit der Journalistin Patricia McAllister-Käfer ein Buch geschrieben hat.

Eines der Themen, die Bugnyar in seiner Arbeit mit den großen schwarzen Vögeln fasziniert, ist die Freundschaft unter den Tieren. „Der wissenschaftliche Ausdruck dafür ist ,soziale Bindungen‘. Wir beobachten das zwischen Freunden und Partnern“, erklärt der Forscher. Raben leben in sozialen Gruppen, in denen sich manche Exemplare mehr und manche weniger mögen. Das erkennt man daran, wie viel Zeit sie miteinander verbringen, ob sie streiten und kämpfen oder sich lieb umsorgen und spielen. Raben, die sich nicht mögen, gehen sich aus dem Weg. Raben, die Freunde sind, kraulen sich gegenseitig das Gefieder und spielen witzig miteinander. „Diese Freundschaften bei jungen Raben sind extrem wichtig, um das Leben in einer Partnerschaft kennen zu lernen. Das ist ähnlich wie jugendliche Beziehungen bei Menschen.“


Wenn die Raben geschlechtsreif sind, suchen sie einen Partner, mit dem sie jahrelang – oft ein Leben lang – zusammenbleiben und fast jedes Jahr ein paar Junge großziehen. Bugnyar baute zu manchen auch persönliche Beziehungen auf und war oft baff, nach wie langer Zeit die Raben ihn wiedererkannten und ihm Vertrauen entgegenbrachten. „Hugin, der auch oft im Buch vorkommt, war irgendwie mein Lieblingsrabe. Er war bei den ersten vier handaufgezogenen Tieren dabei, die in Grünau im Almtal für meine Dissertation wichtig waren“, sagt Bugnyar.

Tricksen und schummeln

Prägnant war ein Erlebnis, als der Rabe Hugin eine Medizin einnehmen sollte, aber sich nach dem ersten Kosten der bitteren Pille bei allen Versuchen weigerte, die Dosis am zweiten Tag einzunehmen. „Ich habe ihm einige Stücke Kuchen gerichtet und in das dritte Stück die Pille gesteckt. Hugin hat den Kuchen genommen, aber die Pille rausgefischt. Ich habe ihn aber angesehen und ihm gezeigt, dass er die auch schlucken muss. Er hat es wirklich gemacht: Das war ein großer Vertrauensbeweis.“

Im Buch beschreibt der Rabenforscher auch, wie gut Raben tricksen und schummeln können – und stets die Erwartungen ihres Gegenübers einschätzen. „Es ist immer verblüffend, wenn die Raben uns genau verstehen, wenn sie über Problemstellungen nachdenken und Zusammenhänge erkennen.“ Hugin wurde nach 20 Jahren leider von einem Uhu erwischt.

Doch das Team der Uni Wien forscht an vielen Raben. Aktuell beobachten die Mitarbeitenden vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie mit Partnern aus der ganzen Welt die großen Vögel an der Forschungsstation Haidlhof in Niederösterreich, im Tiergarten Schönbrunn in Wien und im Wildpark Grünau in Oberösterreich.

Brütende Paare erforschen

Neu erschienen:

„Da Raben so große Territorien haben, in denen sie keine Artgenossen dulden, brauchen wir viele Forschungsstätten mit großen Volieren.“ Die Dissertanten und Postdoc-Forschenden gehen hier Fragen nach, welche Kompetenzen Raben besitzen und wie sie untereinander kooperieren. Haben die sozialen Fähigkeiten der Elterntiere einen Einfluss darauf, welche Persönlichkeitsmerkmale ihre Jungen ausprägen? Bisher hat sich die Forschung auf Nichtbrüter konzentriert, weil mit ihnen leichter zu arbeiten ist und sie eine größere Zahl an sozialen Beziehungen pflegen. Doch nun schauen die Biologinnen und Biologen auch genauer hin, wie es bei brütenden Paaren abläuft.

Ideen für Verhaltensversuche finden sich auch bei der menschlichen Psychologie von Kleinkindern und der Forschung an Affen. „Dort herrscht ein Vorsprung von 150 Jahren in der Wissenschaft“, sagt Bugnyar. Sein Team schaut sich viele Ansätze zur Verhaltensforschung an kleinen Wesen, die nicht sprechen können, ab. Erstaunt waren die Forschenden z. B., dass sich die klaren Hierarchien im Sozialgefüge bei Raben nicht nur in Volieren auf begrenztem Raum zeigen, sondern auch im Freiland. „Sogar wenn ein Rabe monatelang weg ist, erkennt er am Aussehen und der Stimme die anderen und weiß, ob jemand über ihm oder unter ihm in der Rangordnung ist. Und das sogar, wenn er den Raben außerhalb vom gewohnten Territorium trifft“, so Bugnyar. „Aber wir erkennen unseren Bürgermeister ja auch, wenn er im Nachbarort spazieren geht.“Thomas Bugnyar
„Raben“
Brandstätter-Verlag
224 Seiten
25 €

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