Kooperation

Gemeinsam mit der Nachbarschaft in die Energiezukunft?

Der Strom vom eigenen Dach soll künftig mit den Nachbarn gehandelt werden.
Der Strom vom eigenen Dach soll künftig mit den Nachbarn gehandelt werden.Eva Blanco / Westend61 / picture
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Welche Konzepte für Energiegemeinschaften gibt es und was brauchen sie? Einige mit Forschungsprojekten verknüpfte Beispiele in Österreich zeigen, wie Energieversorgung im Kollektiv funktionieren kann.

Ein kleiner Ort im Fotovoltaik-Fieber – das ist die 2000-Seelen-Gemeinde Stanz im Mürztal. 18 Anlagen werden von den Einwohnern jetzt und in den kommenden Monaten errichtet. Hintergrund: Die Bürgerinnen und Bürger haben gemeinsam mit ortsansässigen Unternehmen unter Leitung der Gemeinde eine Energiegemeinschaft gegründet. Das heißt: Sie erzeugen grünen Sonnenstrom, den sie selbst nutzen, aber auch untereinander handeln. Gesetzliche Anreize machen es möglich, dass dabei sogar geringfügige finanzielle Vorteile entstehen. Vor allem aber wird die Energiewende vorangetrieben und ein Beitrag zum Erreichen der Klimaziele geleistet. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom AEE-Institut für Nachhaltige Technologien (Intec) in Gleisdorf bei Graz, einem Mitglied der Austrian Cooperative Research (ACR).

Als einzige österreichische Gemeinde ist Stanz damit in das EU-Programm „Smart Rural 21“ eingebunden. Dass dieser Tage sogar eine Delegation aus Estland in der Obersteiermark anrückt, um sich über das Vorhaben zu informieren, macht die Energiepioniere besonders stolz. Was „Stanz+“ zum Vorzeigeprojekt macht? „Das Besondere ist, dass überschüssige Energie nicht zu schlechten Konditionen verkauft wird, sondern die Stromproduzenten dafür Gutschriften erhalten, die sie bei Käufen in ortsansässigen Geschäften einlösen können“, erklärt Bürgermeister Friedrich Pichler. „Damit setzen wir in einer eher strukturschwachen Gemeinde einen nachhaltigen lokalen Wirtschaftsimpuls.“ Unterstützt werde dieses Modell durch eine innovative Abrechnungsmethode unter Einsatz von Blockchain-Technologie, ergänzt Martina Majcen von AEE Intec.

Vision vom Angebot an der Strombörse

Die Entwicklung einer solchen Technologie ist eine der wissenschaftlichen Herausforderungen des Projekts. Und Bürgermeister Pichler schwebt Großes vor: „Wer sagt, dass wir uns nicht mit anderen Energiegemeinschaften zusammenschließen, eines Tages am Strommarkt teilnehmen und unsere Überschüsse an der Strombörse anbieten?“ Vorerst aber wolle man das Projekt ins Laufen bringen, den Anteil an erneuerbarer Energie im Ort erhöhen und vielleicht auch mit einem lokalen Fernwärme-Anbieter kooperieren.

Die Mürztaler sind mit ihrem Enthusiasmus nicht allein. „Derzeit haben wir in Österreich rund 100 Energiegemeinschaften, die entweder schon gestartet sind oder kurz davor stehen“, weiß Eva Dvorak. Sie ist Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, die im Vorjahr vom Klima- und Energiefonds eingerichtet wurde. Ihre Aufgabe ist es, Energiegemeinschaften zu unterstützen und die Initialzündung für eine breite Umsetzung zu geben. Dass allein im vergangenen halben Jahr viele neue Projekte entstanden sind, erklärt die Expertin unter anderem mit der geopolitischen Lage: „Die Zukunft der Gasversorgung ist ungewiss, wir müssen daher vermehrt auf erneuerbare Energie setzen, um die Energiepreise selbst beeinflussen zu können. Etliche Energielieferanten haben in diesem Jahr ihre Preise erhöht oder Kunden gekündigt. Viele Menschen wollen sich jetzt von Lieferanten unabhängig machen und sehen im Modell der Energiegemeinschaft, das ihnen Versorgungssicherheit, relative Preisstabilität und Planbarkeit bietet, eine Chance dazu, die außerdem noch ökologisch sinnvoll ist.“

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