Leitartikel

Putin manövriert sich mit seinem Völkerrechtsbruch in die Ecke

Wladimir Putin bei seiner Rede im Kreml.
Wladimir Putin bei seiner Rede im Kreml.APA/AFP/SPUTNIK/GRIGORY SYSOYEV
  • Drucken
  • Kommentieren

Mit der Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine will der Kreml-Chef Stärke zeigen. Doch aus dem Herrscher ist längst ein Getriebener geworden.

Der Kreml-Chef hat seine Ankündigung also wahr gemacht: In einer Rede voller Pathos verkündete Wladimir Putin am Freitag den Anschluss der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk und zweier weiterer Regionen in der Ukraine an Russland. Damit bricht er eklatant das Völkerrecht. Und niemand im Westen wird diesen Schritt akzeptieren. Russland, ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und einst diplomatische Großmacht, gibt sich damit selbst Grenzen, die international gar nicht anerkannt werden.
Der Kreml-Chef verschärft die gefährliche Lage in Osteuropa nun noch weiter. Er will Stärke zeigen. Und zugleich zeugt sein Vorgehen von seiner Schwäche. Davon, dass der einst so selbstbewusst und glanzvoll auftretende Herrscher über Russland längst ein Getriebener ist – seiner sturen Machtpolitik und der fatalen Fehler, die ihm dabei unterlaufen sind.

Dabei war Putin von seiner Fangemeinde in Russland – und in vielen EU-Staaten – stets als genialer Stratege gerühmt worden; als jemand, der immer wieder mit seinen wohlüberlegten Schachzügen den Westen vorführt.


Etwa in Syrien, wo er mit seinem Militäreinsatz an der Seite des Machthabers Bashar al-Assad Fakten geschaffen hat. 2013 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama seine Drohungen, Luftangriffe gegen Syriens Regime durchzuführen, nicht wahr gemacht. Unter anderem deshalb, weil Moskau die USA davon überzeugt hatte, es sei besser, Syriens Chemiewaffenarsenal gezielt abzubauen. Doch später hatte dann Russland mit seiner Intervention in Syrien den Fuß in der Tür. Putins Verbündeter Assad hat den Aufstand gegen ihn weitgehend niedergeschlagen. Von ursprünglichen Forderungen des Westens, Syriens Diktator solle die Macht abgeben, blieb nichts übrig.

Sein Sieg in Syrien beflügelte Putin, in Ländern wie Libyen militärisch mitzumischen, wenn auch mit weniger Erfolg. Der russische Präsident hatte meist den richtigen Riecher für den geeigneten Moment für rasches Handeln. Und er war immer gut im Aufspüren der Schwächen seiner Rivalen, etwa wenn er versuchte, die Europäer gegeneinander auszuspielen. So wurde er nach der Annexion der Krim 2014 in vielen Ländern nach wie vor freundlich empfangen: Auch in Österreich, das stets alles tat, um den mächtigen Kreml-Chef zu umgarnen.
Dass er mit der Krim-Annexion trotz diverser Sanktionen relativ ungeschoren davongekommen ist, mag Putin darin bestärkt haben, den Großangriff auf die Ukraine zu starten. Doch hier hat er sich bereits gehörig verspekuliert: Er hat die Schlagkraft seiner Streitkräfte über- und den Widerstand der Ukraine und die Geschlossenheit des Westens unterschätzt.

Nun tritt er mit der Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete die Flucht nach vorn an: Und das ist ebenfalls alles andere als eine strategische Meisterleistung. Zwar kann der Kreml-Chef damit eine Drohkulisse aufbauen. Denn ein Angriff auf die angeschlossenen Regionen ist – in der offiziellen Sicht Moskaus – nun ein direkter Angriff auf das Territorium der Atommacht Russland.

Doch genau diese Strategie kann für Putin nach hinten losgehen. Denn mit ihr schneidet er sich einen Rückzugsweg ab. Sollte er nicht verhindern können, dass die Ukraine bei ihren Gegenoffensiven weiter vorrückt, würde er dann neorussisches Staatsgebiet aufgeben. Und damit würde er völlig sein Gesicht verlieren – gegenüber den Hardlinern in der russischen Führung, die auf ein noch härteres Vorgehen drängen. Aber auch gegenüber den Russinnen und Russen, die von Anfang an den Einsatz in der Ukraine als sinnloses, brutales und kostspieliges Kriegsabenteuer abgelehnt haben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Margaret MacMillan: „Die meisten Diktatoren machen am Ende schreckliche Fehler."
Interview

Margaret MacMillan: „Jetzt bricht alles unter Putin zusammen“

Die kanadische Historikerin und Kriegsexpertin Margaret MacMillan über die russische Teilmobilmachung, die Annexion noch nicht einmal vollständig eroberter ukrainischer Gebiete – und den wachsenden Groll gegen Präsident Putin in Russland.
CZECH-EU-POLITICS-DIPLOMACY
Gipfel in Prag

Speed-Dating in Zeiten des Kriegs

Die neu gegründete Europäische Politische Gemeinschaft sendet ein Signal der Geschlossenheit Richtung Russland.
TOPSHOT-CZECH-EU-POLITICS-DIPLOMACY
Morgenglosse

88 Fäuste gegen Moskau

Während die in Prag versammelten Staats- und Regierungschefs ein Zeichen der Geschlossenheit an den russischen Diktator Wladimir Putin senden, beweist der österreichische Bundeskanzler fehlendes Gespür für historische Momente.
Russlands Parlament segnete die Annexion ukrainischer Gebiete ab.
Annexion

Putins Traum und Russlands Wirklichkeit

Das Parlament in Moskau segnet den Anschluss ukrainischer Gebiete ab. Doch die russische Bevölkerung wird unruhig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.