Schach

Die Weltordnung nach Carlsen

So zielgerichtet Weltmeister Magnus Carlsen spielt, so viele Fragen lässt er im Schachskandal offen.
So zielgerichtet Weltmeister Magnus Carlsen spielt, so viele Fragen lässt er im Schachskandal offen.(c) AFP via Getty Images (DANIEL SANNUM LAUTEN)
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Noch hat Magnus Carlsen keinen Beweis für Betrug geliefert. Rührt die plötzliche Eskalation von größeren Plänen? Derweil gastiert der Schach-Weltmeister in Tirol – ohne Allüren.

Eine Werbewirkung dieser Größenordnung lässt sich nicht planen, das globale Interesse nimmt man im beschaulichen Mayrhofen im Zillertal aber gern an. Verantwortlich dafür ist Magnus Carlsen, weithin als bester Schachspieler der Geschichte erachtet, seit 2013 Weltmeister, und mit selbstbewusst bis unterkühlt wirkender Präsenz eine Marke weit über die 64 Felder hinaus. Am heutigen Sonntag kommt der Norweger in Tirol an, der Europacup-Auftritt mit seinem Team Offerspill Chess Club ist der Anlass seiner Reise, jedoch nicht der Grund für die zahlreichen Medienanfragen aus aller Welt beim Turnierveranstalter. Es ist vielmehr der kürzlich klar ausgesprochene Betrugsvorwurf gegen den US-Amerikaner Hans Niemann, der seit Wochen nicht nur die Schachwelt (Stichwort Analkugeln) in Atem hält.

Wer einen Blick auf den Superstar erhaschen will, hat in den ersten Tagen der Wettkämpfe (3. bis 9. Oktober) wohl in der Natur die besten Chancen. Carlsen betätigt sich auch gern klassisch sportlich, zumal sich am Schachbrett die besten Spieler traditionell erst gegen Ende hin messen. Offizielle Medientermine sind trotz der hohen Nachfrage nicht geplant, das ist keineswegs Allüren des 31-Jährigen geschuldet, sondern Usus, um die Konzentration der Spieler nicht zu stören. Denn so stoisch-grimmig und gnadenlos der Weltmeister am Brett auftritt, so freundlich bis unkompliziert begegnet er den Organisatoren: Ein eigener Transport für sich und seine Teamkollegen vom Flughafen statt des Sammelbusses war Carlsens einziger deponierter Wunsch.

In Mayrhofen ist ein Wiedersehen der Kontrahenten ausgeschlossen, Niemann steht im Aufgebot der US-Meisterschaften in St. Louis (ab 5. Oktober). Nicht mehr speziell nachgeschärft wurden die ohnehin strengen Sicherheitsmaßnahmen im Zillertal: Neben Metalldetektoren werden die Partien zeitverzögert übertragen und über 100 pro Tag von einem Programm des Weltverbandes (Fide) auf Betrug geprüft, ein Schiedsrichterteam vor Ort wacht bis hin zu den Toilettengängen und kontrolliert im Verdachtsfall mit Handscannern nach. Wonach man genau suchen sollte, ist ohnehin die zentrale Frage, die nach wie vor offen ist: Wie soll Niemann betrogen haben? Solange Carlsen keine konkreten Beweise vorlegt, muss er sich – trotz gegenteiliger Beteuerungen – den Vorwurf gefallen lassen, sich selbst wichtiger als den Sport zu nehmen. Zumal es eine höchst abrupte Eskalation war.

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