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Bulgarien im Dauerpatt: Drei russlandfreundliche Parteien im Parlament

Er ist wieder an der Spitze, aber ohne Koalitionspartner - Bojko Borissow (Mitte).
Er ist wieder an der Spitze, aber ohne Koalitionspartner - Bojko Borissow (Mitte).APA/AFP/NIKOLAY DOYCHINOV
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Das Volk ist nach vier Wahlen in 18 Monaten enorm politikmüde. Doch weder die konservative GERB noch die liberale PP haben Koalitionsmöglichkeiten. Es droht eine weitere Neuwahl - die vierte in 18 Monaten.

Sofia/Belgrad/Wien. Die Mehrheit der Bulgaren mag dem Ruf an die Urnen schon gar nicht mehr folgen: Bei der nicht weniger als vierten Parlamentswahl in nur 18 Monaten lag die Wahlbeteiligung mit 35 Prozent so niedrig, wie nie zuvor.

Wie am späten Sonntagabend immer deutliche wurde, der politische Patt bleibt Bulgarien ein weiteres Mal erhalten. Die bürgerliche GERB des umstrittenen Ex-Premiers Bojko Borissow wurde amtlichen Hochrechnungen zufolge mit rund 25 Prozent der Stimmen zwar stärkste Kraft, hat aber kaum Aussichten auf eine Regierungsmehrheit. Außer der DPS der türkischen Minderheit hatte nur die populistische Protestpartei ITN des Entertainers Slawi Trifonow als potenzieller Partner der Gerb gegolten. Doch die ITN wurde für den Bruch der letzten Regierung abgestraft und schaffte die Vier-Prozent-Hürde nicht.

Doch auch der liberalen Bewegung "Wir setzen den Wandel fort" (PP) des im Sommer von Trifonow gestürzten Premiers Kiril Petkow, die bei 20,21 Prozent landete, werden keine Chancen ausgerechnet, eine tragfähige Koalition zu bilden.

Besonders hart hat es auch die Sozialisten getroffen, die auf 9,32 Prozent und somit auf Platz fünf abgerutscht sind.

Prorussische Kräfte erstarken

Mitsamt den Sozialisten, die sich in der früh gescheiterten Koalition Petkows als eher problematischer Partner erwiesen hatten, werden laut Hochrechnungen mit der nationalistischen Partei „Wiedergeburt“ (Verdopplung auf 10,17 Prozent) und dem Neuling „Bulgarischer Aufstieg“ (4,64 Prozent) gleich drei prorussische Parteien ins Parlament einziehen und die Bildung einer proeuropäischen Regierung in dem angesichts des Ukraine-Kriegs strategisch wichtig gelegenen Land erschweren. Der Wahlerfolg der neueren russlandfreundlichen Parteien dürfte auf Kosten der Sozialisten gegangen sein, die mit 8,9 Prozent auf den fünften Platz abgerutscht sind.

Letzte Chance GERB und PP?

Zwar wird auch über eine mögliche Kooperation der zwar proeuropäischen, aber verfeindeten Rivalen Gerb und PP spekuliert. Wahrscheinlicher scheint aber die Ernennung eines weiteren Interimskabinetts. Sollten die Koalitionsverhandlungen scheitern, wird mit Neuwahlen im Frühjahr gerechnet.

Während viele wahlmüde Bulgaren wegen der steigenden Heiz- und Stromkosten mit Sorgen dem Krisenwinter entgegenblicken, scheint zumindest die Energieversorgung in dem lang stark von russischem Gas abhängigen Staat am Schwarzen Meer gesichert. Am Wochenende wurde die neue, 182 Kilometer lange Gaspipeline zwischen Stara Sagora und dem griechischen Komitini eröffnet, über die Bulgarien nun Erdgas aus Aserbaidschan beziehen kann.

Gas fortan aus Aserbaidschan

Moskau hatte dem einstigen Satellitenstaat zu Sowjetzeiten im April als einem der ersten EU-Länder das Erdgas abgedreht. Dank der neuen, von der EU mit 250 Millionen Euro geförderten Pipeline könne Bulgarien seinen Gasbedarf ganz decken, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Eröffnung der Leitung zur „neuen Ära für Bulgarien und Südosteuropa“. Denn: „Diese Pipeline bedeutet Freiheit von der Abhängigkeit vom russischen Gas.“

(Ag./Thomas Roser)

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