Interview

Hans Peter Doskozil: „Alles, was wir machen, sollte auch im Bund passieren“

Akos Burg
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Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) will die Preise regulieren, Lenzing auffangen und auch sonst stärker in der Wirtschaft mitmischen.

Der Bund hat vergangene Woche den Energiekostenausgleich für Unternehmen präsentiert. Bringt das aus Ihrer Sicht die notwendige Erleichterung?

Hans Peter Doskozil: Nein. Und es fügt sich in das bisherige Bild. Schon der Strompreisdeckel für private Haushalte nimmt viel zu wenig Rücksicht darauf, dass wir auf Erneuerbare umsteigen sollten. Im Wärmebereich bedeutet das für viele den Einbau einer Wärmepumpe, die viel Strom braucht. Hier drängt der Strompreisdeckel die Menschen in die Biomasse, wo neue Abhängigkeiten erzeugt werden. Bei der Unterstützung der Wirtschaft ist das Thema dasselbe. Hier wird wieder mit einem Kamm über alle drübergeschoren. Das wird einigen Betrieben schon helfen, vielen aber nicht.


Im burgenländischen Heiligenkreuz sind die Gaskosten für Lenzing so hoch, dass ein Teil der Produktion stillgelegt werden soll. Kann das (damit) noch verhindert werden?

Wir werden Lenzing so gut wie möglich unterstützen. Das ist notwendig, denn, wenn die Produktion einmal geschlossen ist, wird sie so rasch nicht mehr geöffnet, weil dann die Konkurrenz aus dem Ausland die Marktanteile übernimmt. Im Moment sind wir als Land in intensiven Gesprächen mit dem Unternehmen. Wir bieten Lenzing ein komplettes Energiekonzept an. Ein Teil davon ist der umstrittene Fotovoltaikpark in Güssing. Von dort soll eine Direktleitung in das Werk gelegt werden. Das ist ein Teil der Lösung.

Impressum

Dieses Interview erscheint im Rahmen von „Austria's Leading Companies“. Die Beilage wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, DONAU Versicherung und Wiener Städtische Versicherungsverein, Škoda, TÜV AUSTRIA sowie Zero Project.

Redaktion: Hans Pleininger, hans.pleininger@diepresse.com
Autoren: Christian Scherl, Matthias Auer
Grafik: Martin Misarz
Infografik: Gregor Käfer
Content Management: Isabella Karner


Wie drückt das die Gaskosten des Betriebs?

Lenzing braucht Energie. Damit der Plan funktioniert, muss Lenzing Vorkehrungen treffen, um die saubere Energie, die wir liefern, in Produktgas umzuwandeln. Das geht. Die Produktion dort ist sehr energieintensiv. Wir können die Energie liefern. Aber das sind riesige Anstrengungen für ein einziges Werk. Wenn da 20 Betriebe kommen, geht das nicht mehr.

Im Burgenland sind aber weit mehr Betriebe stark betroffen – etwa die Thermen.

Das Thema Thermen haben wir großteils erledigt. Bad Tatzmannsdorf wird an ein Biomassekraftwerk angeschlossen. Lutzmannsburg, wo wir selbst beteiligt sind, hat noch bis Ende 2023 einen günstigen Gasliefervertrag und wird dann ein Biomassekraftwerk haben. Das realisieren wir.


Im Burgenland wird also nichts schiefgehen, weil Sie sich darum kümmern?

Wir haben zumindest einen Plan und versuchen, den umzusetzen.


Ich nehme an, Sie haben auch einen Plan für den Rest Österreichs?

Wir brauchen einen Regulator, der die Preise gesetzlich nach unten nivelliert. Beim Strom erzeugen wir statistisch gesehen über 90 Prozent unseres Strombedarfs in Österreich. Da sollte es möglich sein, regulierend einzugreifen. Bei Gas ist es etwas differenzierter. Aber auch hier bin ich überzeugt, dass die OMV rund 80 Prozent des inländischen Bedarfs decken könnte. Es müsste nicht sein, dass die OMV das alles über die Börse bzw. zu Börsenpreisen verkauft. Die jetzige Situation kann mir niemand mit dem Markt erklären. Ich bin für staatliche Preisregulierung.


Die anderen Aktionäre der OMV dürften davon wenig begeistert sein.

Es sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Das Problem ist, dass wir da, wo es um elementare Grundversorgung geht, das Tor zur Privatisierung zu weit aufgemacht haben. Die Republik kontrolliert die OMV nur noch zu etwas mehr als 30 Prozent. Im Burgenland ist die Hälfte aller Windräder im Privatbesitz. Die Burgenland-Energie (der Landesversorger, Anm.) hat die zweite Hälfte und kann damit den hohen Strompreis für die Haushalte abfedern. Das ist der Grund, warum wir anders als Niederösterreich und Wien die Tarife im September nicht erhöht haben. Der private Windkraftbetreiber verdient aber zulasten des Gemeinwohls enorme Gewinne. Ermöglicht hat ihm das die öffentliche Hand. Über Förderungen, Zonierungen, Anschlüsse.


Die EU will eine Abgabe auf Übergewinne einführen. Ein guter Ansatz? Das Burgenland hat so eine Abgabe ja.

Wir haben eine Landschaftsschutzabgabe, deren Einnahmen zweckgebunden in den Sozial- und Klimafonds fließen, über den wir einen Teuerungsausgleich in der Höhe von bis zu 700 Euro für einkommensschwächere Haushalte bedienen. Es kann gut sein, dass wir die erhöhen werden. Die privaten Anbieter verdienen aufgrund der absurd hohen Börsenpreise Hunderte Millionen, mit denen sie nie kalkuliert haben. Die Kehrseite ist natürlich, dass auch der Burgenland Energie dadurch Geld genommen würde, was die Flexibilität schwächt zu gestalten.


Unternehmen argumentieren, eine Gewinnabschöpfung setze auch Erneuerbaren-Ausbau aufs Spiel.

Jeder kann ein Windrad bauen. Da bleibt mehr als genug Geld dafür übrig. Die Frage ist eher, wo das Geld dann landet. Kommt es ins Finanzministerium und verschwindet in der Gießkanne? Meine Ideallösung wäre, dass Übergewinne, die im Burgenland anfallen, auch hier verwendet werden.


Europa hat 500 Milliarden Euro für Energiepreishilfen ausgegeben. Sind das Summen, bei denen auch Sie vorsichtig werden, oder spielt Geld in der Krise wirklich keine Rolle?

Man darf nicht vergessen, dass die Staaten durch die Preissteigerung auch hohe Mehreinnahmen haben. Das Problem ist eher, dass die Mittel nicht zielgerichtet verwendet werden. So wie wir hier sitzen, brauchen wir alle den Klimabonus wahrscheinlich nicht. Es wäre gut, wenn sich der Bund um Grundsätzliches kümmern würde, und etwa Preise gesetzlich reguliert. Und die Länder kümmern sich darum, wie Härtefälle abgefedert werden. Stattdessen glaubt jeder, dass er irgendwas machen muss, und nichts ist akkordiert. Diese Gießkanne ist nicht sinnvoll.


Am Wochenende wurde auch der CO2-Preis eingeführt. Ein Fehler?

Das ist verrückt. Inhaltlich ist es ja richtig, in Richtung Klimaneutralität zu gehen, aber ich muss das nicht jetzt einführen.


Thematisch ist die Energiekrise der Sozialdemokratie auf den Leib geschneidert. Doch statt den aufgelegten Elfer zu verwandeln, schießt das rote Wien ihrem Landesversorger heimlich 1,4 Milliarden Euro zu, weil sich der an der Börse verhoben hat − und erhöht in der größten Teuerungswelle seit Jahrzehnten die Gebühren. Verspielt die SPÖ da gerade eine große Chance?

Zur Wien Energie will ich aus der Distanz nichts sagen. Im Bund muss man sehen, dass es in der Opposition sicher schwieriger ist. Da müssen manche Dinge überzogen präsentiert werden, um gehört zu werden. Das ist natürlich eine Gratwanderung: Wie glaubwürdig bin ich mit solchen extremen Forderungen noch bei der Bevölkerung? Wir haben es im Burgenland leichter. Wir haben eine absolute Mehrheit, können überlegen und dann umsetzen. Ich will auch gar nicht sagen, dass sich Wien verspekuliert hat.


Wäre ein Fall wie bei der Wien Energie bei Burgenland Energie auch denkbar?

Nein. Wir kommen sicher nicht in diese Situation, weil wir anders mit Energie handeln. Es gibt zwei Varianten: Entweder man handelt direkt über die Börse, so wie es die Wien Energie gemacht hat, und kommt dann mitunter in solche Probleme. Oder man handelt zwar zu Börsenpreisen, aber nicht über die Börse, sondern direkt über Forward-Geschäfte, bei denen die Absicherung statisch ist und nicht mit dem Börsenpreis mitschwankt. Das macht Burgenland Energie.


Der Lenzing-Chef klagte kürzlich, dass teure Energie in Österreich schon lang ein Standort-Nachteil ist. Lässt sich das ändern?

Das Burgenland will bis 2030 komplett energieautark werden. Dafür brauchen wir Windräder, Solaranlagen, teilweise Biomasse und vor allem eine Speichertechnologie. Auch grüner Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen. Darum bauen wir den bis dato größten Elektrolyseur Europas und können damit theoretisch den gesamten Gasbedarf des Burgenlands decken und immer noch etwas an die Industrie verkaufen.


Die Ambitionen sind in anderen Bundesländern kleiner. Verhindern ein paar Bundesländer in Österreich die Energiewende?

Ich war kürzlich in Tirol und habe gemerkt: Alles braucht seine Zeit. Die machen dort hoch innovative Wasserkraftprojekte. Und auch Solarenergie ist erstmals denkbar. Aber es dauert, die Bevölkerung zu begeistern.


Nicht alle Konflikte verschwinden mit der Zeit. Stichwort Solarpark Güssing. Müssen Land oder Bund da härter durchgreifen?

Wir haben die Flächenwidmung gestrafft und ans Land gezogen. Das hat uns sicher geholfen. Aber Energieautarkie kann man nicht verordnen. Wir müssen die Menschen überzeugen, dass das der richtige Weg ist. Überzeugung ist wichtiger als Zwang.


Sie setzen mit Themen wie Energieautarkie, Mindestlohn oder auch Anstellung pflegender Angehöriger starke Akzente. Wären das die passenden Rezepte für ganz Österreich?

Alles, was wir machen, sollte auch im Bund passieren.


Und wie ist das finanzierbar? Das Burgenland ist mit 300.000 Einwohnern im Vergleich doch eher überschaubar.

Wir machen das mit den Steuern, die uns zur Verfügung stehen. Jedes Bundesland hat im Verhältnis genauso viel wie wir. Und wir haben ein Top-Bonitäts-Rating. Man muss nur bereit sein, sich den Unsicherheiten, die Strukturveränderung bringt, zu stellen.


Viele Betriebe kritisieren, dass sich das Land in ihrer Branche breitmacht und ihnen Geschäft streitig macht.

Ich habe − außer die Nothilfen während der Pandemie − kein privates Unternehmen verstaatlicht. Weder der Wohnbau noch die Pflege, wo wir einsteigen, sind eine Verstaatlichung. Wir brauchen jeden Maurer, jeden Schlosser, jeden Installateur und jeden Pflegedienst. Natürlich zu anderen Regeln. Aber die Regeln macht immer der, der zahlt, und nicht der, der das Geld empfängt. Das ist auch in der freien Wirtschaft so.

Zur Person

Hans Peter Doskozil (52) ist seit Februar 2019 Landeshauptmann vom Burgenland. Doskozil wuchs im Südburgenland auf. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien trat er in den Polizeidienst ein. Bekanntheit erlangte Doskozil in seiner Funktion als Landespolizeidirektor des Burgenlands während der ersten großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015.
Durch sein gutes Grenzmanagement aufgefallen holte die Bundes-SPÖ Hans Peter Doskozil 2016 nach Wien, wo Dozkozil Bundesminister für Landesverteidigung und Sport wurde.
Altlandeshauptmann Hans Niessl, dessen Büro Doskozil vor rund zehn Jahren leitete, holte den Südburgenländer Ende 2017 in die Landesregierung als Landesrat für Finanzen, Kultur und Straßenbau. Zwei Jahre später beerbte Doskozil Niessl als neuen Landeshauptmann vom Burgenland. Bei der burgenländischen Landtagswahl im Jänner 2020 erreichte Doskozil mit seiner SPÖ 19 von 36 Mandaten und damit die absolute Mandatsmehrheit.

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