Investmentmarkt

Manche mögen's jetzt defensiver

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Die Zinswende lässt den europäischen Immobilienmarkt nicht kalt. Während die klassischen Segmente teilweise unter Druck geraten, rücken zunehmend alternative Sektoren in den Fokus.

Europas Gewerbeimmobilienmarkt steht angesichts steigender Zinsen und unsicherer wirtschaftlicher Bedingungen vor einem schwierigen zweiten Halbjahr. Nach Angaben des Beratungsunternehmens CBRE erreichten die Investitionen in diesem Sektor in der ersten Jahreshälfte 157 Milliarden Euro, und damit den höchsten Wert aller Zeiten. Das Wachstum war auf ein besonders starkes erstes Quartal zurückzuführen. Die Investitionen gingen jedoch im zweiten Quartal 2022 bis Ende Juni im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent auf 71 Milliarden Euro zurück.

Die Verlangsamung sei auf gestiegene Kreditkosten und wirtschaftliche Unsicherheiten zurückzuführen. Laut dem Datenanbieter RCA sind im zweiten Quartal die Transaktionsvolumina im Bürosektor im Vorjahresvergleich um 20 Prozent, im Industriesegment um 29 Prozent und bei Hotels um 36 Prozent gesunken. Lediglich der Wohnimmobiliensektor verzeichnete einen Anstieg um ein Prozent. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich aus diesen Zahlen neue Investmenttrends für das zweite Halbjahr 2022 herauslesen lassen.

Alternativen gesucht

"Zu den gefragten Sektoren könnten Vermögenswerte gehören, die in den nächsten 18 Monaten wahrscheinlich am defensivsten sein werden, solche mit guten Aussichten auf langfristiges Einkommenswachstum", sagt Oliver Kummerfeldt, European-Real-Estate-Analyst bei Schroders. Dazu würde eine Reihe von  operativen  Immobilienarten gehören, die von langfristigen strukturellen Veränderungen profitieren, darunter Rechenzentren, Pflegeheime, Arztpraxen, Labore und Studentenwohnheime. Schroders ist auch der Meinung, dass mehrfach vermietete Industrieimmobilien, Büros mit hoher Energieeffizienz und Wohlfühlcharakter sowie Lebensmittelgeschäfte relativ defensiv sein werden.

Laut einer Umfrage von Catella Research sehen deutsche Immobilieninvestoren in den kommenden zwei Jahren die Sektoren Health care, Wohnen und Logistik als interessanteste Nutzungsarten. Bei der Allokation werde für mehr als zwei Drittel der Befragten Wohnen ein Fokus sein. Regional würden von der Hälfte der Anleger die besten Chancen in Europa gesehen, ein weiteres Drittel favorisiert Objekte außerhalb Europas.

"Steigende Zinsen bedeuten nicht automatisch steigende Immobilienrenditen beziehungsweise sinkende Preise", sagte Pepijn Morshuis, CEO von Trei Real Estate, auf einem jüngst veranstalteten Webinar. Die Korrelation von Zinsen und Immobilienrenditen sei nicht so eindeutig, wie oft behauptet. Dies zeigten zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit. So seien in Deutschland die Zinsen von zehnjährigen Staatsanleihen zwischen 2007 und 2010 um zwei Prozentpunkte gesunken. Im gleichen Zeitraum stiegen die Immobilienrenditen jedoch nur um einen Prozentpunkt.

Ein Blick auf die Renditen

Doch mit welchen Renditen können Immobilieninvestoren in den jeweiligen Assetklassen rechnen? Mit Blick auf die Entwicklungen auf dem deutschen Kapitalmarkt heißt es beim Consulter Bulwiengesa, dass die Zeiten der schier unbegrenzten Kapitalverfügbarkeit vorbei sind. "Werttreiber werden zunehmend wieder die nutzungskonforme Lage- und Objektqualität und weniger die Dynamik der Renditekompression sein", betont Sven Carstensen, Vorstand bei Bulwiengesa. So würden steigende Anfangsrenditen für steigende Verzinsungen in den meisten Büromärkten sorgen. Der Anstieg des IRR (Internal Rate of Return) fällt daher insbesondere in den ertragsschwächeren Märkten nicht so stark aus, wie es vielleicht zu vermuten wäre, ist sich Carstensen sicher. Am deutlichsten schlage der Anstieg daher in den A-Märkten zu Buche. Der Basiswert habe sich hier im Vergleich zum Vorjahr um 50 Basispunkte (BP) auf 2,68 Prozent erhöht, die Core-Spanne reiche von 0,7 bis 3,3 Prozent. Im Wohnungssegment rechnet Bulwiengesa im Corebereich mit einer Renditespanne von 1,6 bis 2,8 Prozent.

Private Debt im Kommen

In den vergangenen Jahren ist das Volumen des globalen Private-Debt-Markts deutlich angestiegen. Das zeigt, dass dieses Segment des Finanzmarkts immer mehr an Bedeutung gewinnt. "Auch in der Immobilienwirtschaft spielt das Segment Private Debt eine immer wichtigere Rolle. So haben Investoren die Möglichkeit, über Kreditfonds in risikoärmere wie auch risikoreichere Immobilien mit höheren Renditepotenzialen zu investieren", erläutert Thomas Beyerle, Head of Research bei Catella. Darüber hinaus hätten Kreditfonds als Instrument der indirekten Immobilieninvestition im Vergleich zu einer direkten Investition in eine Immobilie einen Kostenvorteil, wodurch Kreditfonds als mögliches Investitionsvehikel im Kontext der Immobilieninvestitionen an Attraktivität gewännen.

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