True Crime

Serien-Hit "Dahmer": "Ich finde, Netflix hätte fragen sollen"

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17 junge Männer, die meisten davon schwarz und schwul, ermordete der US-Serienkiller Jeffrey Dahmer. Nun hat Netflix eine Serie über ihn herausgebracht, mit Evan Peters in der Hauptrolle. Doch Angehörige der Opfer üben Kritik.

Als die Polizei in Milwaukee in einer Sommernacht 1991 einen panischen halbnackten Mann mit einer Handschelle am Handgelenk aufgabelte, endete eine der notorischsten Mordserien in den USA. Der halbnackte Mann führte die Polizisten zur Wohnung von Jeffrey Dahmer, wo sie unter anderem einen abgeschnittenen Männerkopf im Kühlschrank fanden. Der Mörder und Kannibale Dahmer kam ins Gefängnis und wurde drei Jahre später von Mithäftlingen erschlagen. Seine Geschichte wurde bereits mehrfach (filmisch) aufgearbeitet: Ex-Schulkollege John Backderf veröffentlichte 2012 die auch ins Deutsche übersetzte Graphic Novel „Mein Freund Dahmer“, 2017 wurde daraus ein Kinofilm. Schon viel früher, nämlich 2002 spielte Jeremy Renner den Serienmörder im Spielfilm „Dahmer“. Und nun hat Netflix eine Serie über die Mordserie veröffentlicht: „Dahmer - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“ heißt die Fiction-Serie, die ein großer Erfolg für den Streamingdienst ist – und Kritik hervorruft.

Mindestens 17 junge Männer hat Dahmer ermordet. Serienmacher Ryan Murphy versucht, weniger den Täter als die Opfer in den Mittelpunkt zu rücken und ihre individuellen Geschichten erzählen. Die unterschwellige Botschaft: Dahmer konnte so lange unbehelligt morden, weil die meisten der Ermordeten Afroamerikaner und schwul waren.

Homophobie, offen und versteckt, war auch Thema in Murphys voriger Serie, „The Assassination of Gianni Versace: American Crime Story“, die mit mehreren Golden Globes ausgezeichnet wurde. Sie wurde aber auch scharf kritisiert: Die Familie und der Lebensgefährte des verstorbenen Versace beschwerten sich, dass sie nicht involviert waren und nannten die Serie realitätsfern.

Schwester von Mordopfer: „Als würde ich das noch einmal erleben"

Dass sie nicht gefragt wurden, kritisierten nun auch Angehörige von Dahmers Opfern. Rita Isbell, deren Bruder Errol Lindsey 1991 ermordet wurde, sprach mit dem „Insider“ über die Serie – in der sie selbst prominent vorkommt. Sie konfrontierte Dahmer vor Gericht und die Szene wurde für die Serie detailgetreu nachgespielt, mit Schauspielerin DaShawn Barnes als Isbell. „Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gedacht, ich bin das“, sagte Isbell dem „Insider“. „Ihr Haar war wie meines, sie hatte die gleiche Kleidung an. Es hat sich angefühlt, als würde ich das alles noch einmal erleben. Es hat all die Gefühle geweckt, die ich damals hatte.“

Weder Netflix noch Murphy hätten sie je kontaktiert. „Ich finde, Netflix hätte fragen sollen, ob wir etwas dagegen haben oder wie wir uns dabei fühlten, wenn sie sowas machen“, sagte Isbell. „Sie haben mich gar nichts gefragt. Haben sie einfach nicht.“

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Wer profitiert vom True-Crime-Hype?

Serien wie „Dahmer“ werfen auch ethische Fragen auf, denn diese realen Kriminalfälle werden möglicherweise romantisiert, sicher aber monetarisiert. Durch die True-Crime-Podcast-Welle ist der Bedarf an Formaten, die Genre-Fans ansprechen, entsprechend hoch. Für Murphy und Netflix ist die Serie auch ein Geschäft. „Dahmer“ dürfte eine der erfolgreichsten Eigenproduktionen für den Streamingdienst werden. Die Angehörigen der Opfer haben nichts von diesem finanziellen Erfolg.

Und auch nicht vom Hype, der um die Serie derzeit entsteht. Tausende Zuschauer zeigen in sozialen Medien, wie fasziniert sie von dem Fall sind, erstellen Tiktoks und Videos über Dahmer – wobei ein Teil dieser Faszination eigentlich Hauptdarsteller Evan Peters gilt. Als Quicksilver in „X-Men“-Filmen erregte er internationale Aufmerksamkeit und sucht sich derzeit vor allem düstere Rollen aus. Nach keinem anderen Schauspieler wird derzeit öfter auf der Filmdatenbank IMDb gesucht als nach ihm. Er verteidigte die Serie: Sie nehme nie Dahmers Perspektive ein, erklärte Peters.

Netflix führt Serie nicht mehr in der LGBTQ-Kategorie

Einen Fauxpas, den sich Netflix mit „Dahmer“ leistete, hat der Streamingdienst inzwischen ausgebügelt: Er reihte die Serienkiller-Serie in der Rubrik „LGBTQ“ ein, berichtet das Nachrichtenportal „Watson“. Zwischen Liebesgeschichten wie „Heartstopper“ oder „Young Royals“ und Comedys wie „Feel Good“. Als wären Diversität und Selbstermächtigung Thema von „Dahmer“. Netflix hat die Serie inzwischen aus dieser Rubrik genommen.

>> Bericht im „Insider"

>> Bericht in der „Washington Post"

(her)

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