Gastbeitrag

Nationale Mütterlichkeit als Warnsignal

Kontinuitäten und Dissonanzen in rechtsextremen Geschlechterstereotypen.

Der Autor:

Dr. phil. Stefan Benedik (*1983) ist Kurator im Haus der Geschichte Österreich (HDGÖ).

Tipp: Das HDGÖ bietet mit seinem Web-Tool „Europa der Diktaturen“ eine Möglichkeit, die antidemokratischen Tendenzen in allen Staaten nach dem Ersten Weltkrieg in einzigartiger Weise zu erfassen: www.hdgoe.at/diktaturen.

Termin: In der Österr. Akademie der Wissenschaften findet am 6. und 7. Oktober die IKT-Jahrestagung statt, zum Thema: „Der historische Vergleich. Erkenntnisgewinn und Kampfzone“. Live vor Ort oder via Livestream unter: www.oeaw.ac.at/ikt/detail/events/jahreskonferenz-2022.

Wenn gegenwärtig der Anstieg von antidemokratischen und illiberalen Tendenzen beklagt wird, ist rasch der historische Vergleich bei der Hand. Häufig wird darauf entgegnet, dass das Europa der Gegenwart nicht mehr mit der Zwischenkriegszeit vergleichbar sei – zu Recht. Das Beispiel der Geschlechterpolitik zeigt, wie solchen Unterschieden Rechnung getragen werden kann: Gegenwärtig beziehen sich rechtsextreme Spitzenpolitikerinnen in allen europäischen Staaten auf reaktionäre Geschlechterbilder, ohne diesen Vorstellungen selbst zu entsprechen. Sie gerieren sich als Symbol für nationale Mütterlichkeit oder für traditionelle Beziehungen, obwohl ihre eigene Lebenspraxis das glatte Gegenteil repräsentiert. Die Vermischung von vermeintlich „christlichen“ und „westlichen“ Werten in den aktuellen Diskursen ermöglicht das. So können Alleinerzieherinnen die Rückkehr zur Kernfamilie fordern oder Feindinnen liberaler Politik offen in lesbischen Beziehungen leben.

Erst konkrete Entscheidungen machen solche Widersprüche transparent, wie das Abstimmungsverhalten der Fratelli d'Italia in der Frage des Gender Pay Gap gezeigt hat: In ihrem Parteiprogramm traten sie für Lohngerechtigkeit ein, nicht aber im Europaparlament.

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