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Zeitreise

Heute vor... im September: Das Wiener Kaffeehaus kämpft um seinen Ruf


Das Wiener Café ist bei den Wienern selbst einigermaßen in Mißkredit geraten. Sie waren nicht übel gewillt, ihm an allem und jedem, was uns bedrückte, die Schuld zu geben.

Neue Freie Presse am 30. September 1922

Das Wiener Kaffeehaus weiß einiges von der Zeiten Wandel und Ungunst zu erzählen. Früher einmal ist es ganz allgemein das verhätschelte Schoßkind der öffentlichen Meinung gewesen. Schwärmten die einen von der verräucherten Gemütlichkeit ihres Stammlokales in irgendeiner Seitengasse, so begeisterten sich die anderen für die weltstädtische Marmor- und Goldpflegepracht der großen modernen Etablissements, die sich in dem letzten Jahrzehnt vor Kriegsausbruch aufgetan hatten, und voll gerührtem Lokalpatriotismus freute man sich dessen, wenn man im Ausland allenthalben der ruhmredigen Reklamebezeichnung: "Wiener Café" begegnete. Das hat sich in den letzten Jahren wesentlich geändert.

Das Wiener Cafè ist bei den Wienern selbst einigermaßen in Mißkredit geraten. Sie waren nicht übel gewillt, ihm an allem und jedem, was uns bedrückte die Schuld zu geben. Oh, es wäre hierzulande nie geschoben und nie kettengehandelt worden, wenn sich nicht das Kaffeehaus als Kriegsschauplatz dargeboten hätte. Wie glänzend wäre es um die allgemeine Sittlichkeit bestellt, wenn sich nicht in diesem und jenem Kaffeehaus ein wahrer europäischer Sklavenmarkt auftäte. Ein Glück, daß es noch die unumgänglich notwendigen polizeilichen Razzien gibt! Was aber erst in Wien zusammengearbeitet werden würde, wenn nicht das Kaffeehaus unserem Tätigkeitsfanatismus einen Dämpfer aufsetzte!

In den letzten neun Tagen war uns solche billige Ausrede genommen. Eigentlich hätten alle Preise von Valuten und Bedarfsartikeln herunterrasseln müssen, Sittlichkeit und Arbeitslust wären zu einem noch nie dagewesenen Riesenindex verpflichtet gewesen, denn die Kaffeehäuser waren geschlossen. Ueber solche Wirkungen des Streiks der Kaffeehausangestellten ist allerdings nichts bekannt geworden; aber das erleichterte Aufatmen, mit dem man ganz allgemein die Nachricht vom Streikende begrüßt, scheint anderseits dafür zu sprechen, daß das Kaffeehaus im Grunde genommen weit besser ist als sein Ruf. Wer schimpft, der kauft. Die Wiener werden wieder iins Kaffeehaus gehen, auch jene unter ihnen, die nicht schieben und nicht kettenhandeln. Sie werden weiter bedeutsam den Kopf schütteln und darüber raunzen, daß es nicht mehr das alte Wiener Kaffeehaus sei, dessen Niedergang ebenso außer Zweifel stünde, wie etwa der des Burgtheaters, dem bekanntlich seit seinem Bestand in jeder Generation nachgesagt wird, daß es nicht mehr das richtige Burgtheater sei.

Daß dem Kaffeehaus übrigens manchmal bitter unrecht geschieht, dafür spricht beispielsweise, wenn heute in einem polizeilich inspirierten Bericht von der glücklich erwischten Milliardendiebin behauptet wird, sie habe einen Teil ihrer Juwelenbeute in gewissen Kaffeehäusern verschachert. Dieses Kunststück hat nämlich auch die geübte Einbrecherin nicht zustande gebracht; denn auch für sie waren sämtliche Kaffeehäuser unbarmherzig geschlossen. Der heutige Freitag hat erfreulicherweise den üblen Ruf, in dem er bei allen Abergläubischen steht, gründlich Lügen gestraft. Er hat eine ganze Reihe von Friedensschlüssen gebracht, von denen man nur zusammenfassend sagen kann: Wie sichs gebührt, trägt der Konsument die Kosten. Weil dies aber sein altes, hergebrachtes Los ist, so muß man wieder einmal die Frage aufwerfen, ob beiderseitiges Nachgeben, ein Sichtreffen in der Mitte des Weges wirklich auch diesmal nicht möglich war, ohne daß früher mit Nägel und Zähnen gekämpft wurde und ohne daß man den wundgeprügelten Rücken des Konsumenten als Turnierplatz benützte.

Die Leute, die jede Nacht mit der bangen Frage entschlummerten, ob ihnen ein gütiges Schicksal am nächsten Morgen ein warmes Frühstück bescheren würde, die nach dem Kaffee-Ersatz auf allerlei fragwürdigen Kaffeehausersatz angewiesen waren, haben sehr viel von den berechtigten Interessen der Unternehmer und denen der Angestellten gehört; aber ihre innere Ueberzeugung wurde nicht widerlegt: Zu einem richtigen Kaffeehaus gehört eigentlich außer dem Cafetier und dem Markeur auch der Kaffeehausgast.

 

Aus den Anfängen der "Times"

Wie eine weltweite Berühmtheit “geboren” wurde.

Neue Freie Presse am 29. September 1922

Wie wenig von denen, die sich heute mit der Zukunft der „Times" be­fassen, wissen, so schreibt der „Manchester Guardian", daß diese weltberühmte Zeitung ihre Laufbahn als publizistisches Neben­produkt begann. Ihr Gründer John Walter hatte durch Schiffsversicherungen ein Vermögen erworben und im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wieder verloren. Es ver­blieb ihm aber genug Geld, um eine Druckerei zu eröffnen (Printing House Square), in der er sich mit nicht gerade glück­lichen Experimenten beschäftigte, ein neues typographisches System, die Verwendung von ganzen Worten als Typen, in den Buchdruck einzuführen.

1785 begründete er die „Times", die unter dem Namen „Daily Universal Register" erschien und hauptsächlich der Bekanntmachung seines „logographischen" Systems diente. Er verlor niemals das Vertrauen zu diesem System, das auch den Beifall Benjamin Franklins fand. Aber die Aufnahme dieses berühmten Namens in die Liste seiner Subskribenten gereichte ihm zum Verderben. Als er seinen Gruß ins Buckingham Palace sandte, in der Hoffnung, daß der König (Georg III.) ihn in Augenschein nehmen und seine Zufriedenheit zum Ausdruck bringen werde, wurde er sehr enttäuscht.

Seine Majestät fand den Namen Franklins in der Liste und wies seinen Bibliothekar an, Walter dahin zu informieren, er habe sich die neuen Typen mit Vergnügen besehen, aber keinen Raum im Palast, die Sendung aufzubewahren; sie möge wieder abgeholt werden. Trotz dieses Mißgeschicks setzte Walter seine Experimente fort. Sein Unternehmungsgeist führte ihn zur Aufstellung von Druckpressen mit Dampfbetrieb und in der Folge zu dem großen Fortschritt in der Herstellung von Zeitungen.

 Am 1. Januar 1788 wurde aus "dem „Universal Register" die heute bekannte „Times". In dem Prospekt, der die Namensänderung anzeigte, wird als Grund dafür die Schwierigkeit angeführt, das Blatt bei den Zeitungsjungen zu kaufen, da diese gerne versuchen, andere Blätter an seiner Statt abzugeben, ferner Verwechslungsmöglichkeit mit anderen Zeitungen, die gleichfalls das Wort „Register" im Namen führen. Schließlich will man vorsichtig genug sein, keine „literarischen Wunder" zu versprechen, will aber „im neuen Enthusiasmus auch nicht behaupten, daß in der Umtaufe allein das Werk der Regeneration liegen solle".

 

Grüner Salat für Häftlinge

Der Kostwächter der Strafanstalt muss sogar in solchen Zeiten grünen Salat liefern, in welchen sich wegen der hohen Preise sogar bemittelte Familien den Genuß desselben versagen.

Neue Freie Presse am 28. September 1872

Ueber eine Arbeitseinstellung der Sträflinge in Garsten wird aus competenter Quelle jetzt Folgendes berichtet: "Der Kostwächter der Strafanstalt hatte in wiederholten Eingaben darüber Beschwerde geführt, daß bezüglich der Verpflegung der Sträflinge an ihn unmögliche und nicht contractmäßige Anforderungen gestellt werden; insbesondere habe er grünen Salat selbst in solchen Zeiten liefern müssen, in welchen sich wegen der hohen Preise sogar bemittelte Familien den Genuß desselben versagen; auch werde er genötigt, auf jede Portion Salat und Hülsenfrüchte das Oel und das Fett abgesondert zu geben, was bei einem Sträflingsstande von nahezu 900 Köpfen einen empfindlichen und ganz unnötigen Aufwand an Zeit und Mühe verursache.

Bei den darüber eingeleiteten Erhebungen erwiesen sich diese Beschwerden als begründet, und wurde angeordnet, daß zu jener Zeit, wo Salat nur mit unverhältnismäßig großen Kosten zu bekommen sei, anstatt dessen auch andere frische Gemüse verabreicht werden dürfen und daß das Oel und das Fett dem Salat und den Hülsenfrüchten im Ganzen beigemischt werde, wie dies auch in den anderen Strafanstalten geschieht und in der Kostnorm begründet ist. Es handelte sich also um keine Verkürzung der Sträflinge, sondern die Ober-Staatsanwaltschaft war bestrebt, nach Recht und Billigkeit einen Uebelstand zu beheben, um dessen Beseitigung sie dringend angegangen worden war. In Folge eingehender Belehrung haben, nachdem die Aufwiegler abgesondert worden waren, die Sträflinge theilweise schon am vierten Tage, am 22., alle aber am 23. d. M. die Arbeit wieder aufgenommen. Gewalttätigkeiten haben sich die Sträflinge nicht zu Schulden kommen lassen."