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Vanille hat ihren Preis

Echte ­­Vanille für 300 Euro. Das Aroma ist auch synthetisch herstellbar. 97 Prozent der Vanilleproduktion erfolgen heute künstlich –  mit Geschmacks-einbußen.
Echte ­­Vanille für 300 Euro. Das Aroma ist auch synthetisch herstellbar. 97 Prozent der Vanilleproduktion erfolgen heute künstlich – mit Geschmacks-einbußen. Gunnar Freyr
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Lokalaugenschein in La Réunion: Die komplizierte Kunst der Verarbeitung von Vanille.

Die am sorgsamsten verarbeitete Vanille der Welt kommt aus dem französischen Insel-Département La Réunion. Natürlich hat sie ihren Preis, ­oft muss man extra nach ihr fragen, denn der lokale Touri-Markt ist von überteuerter madagassischer Vanille überschwemmt. Der große Nachbar exportiert etwa tausend Mal so viel Vanille, meist in niedriger Qualität. Die La Réunioner Produktionsmethode wird inzwischen weltweit von Qualitäts­produzenten übernommen. Ihre ­Bourbon-Vanille mit diskretem Aroma ist in Europa am beliebtesten.

Die Orchideenpflanze mit den cremeweißen Blüten, aus Mexiko stammend, produziert eine 12 bis 25 Zentimeter lange grüne Schote (biologisch gesehen eine Kapselfrucht). Die Bestäubung erledigt in Mexiko eine Biene, die in anderen Weltgegenden ungern fliegt – im Indischen Ozean muss von Hand bestäubt werden. Eine Blüte – die eine Schote ergibt – öffnet sich nur fünf bis zwölf Stunden lang. Erfahrene Bestäuberinnen spüren, zu welcher Zeit sie wo einschreiten müssen. Wer sich auskennt, schafft 75  Prozent erfolgreiche Bestäubungen. Die Höhe der Pflanze muss ebenso kon­trolliert werden wie ihr Wasserbedarf.


Nach neun Monaten ernten sie die – ­technisch gesehen zu diesem Zeitpunkt bereits tote – Schote, in grünem Zustand und aromalos. In 65 Grad heißem Wasser wird sie drei Minuten lang gekocht und kommt mit anderen Schoten in eine Box. Nach 24 Stunden nimmt sie eine bläuliche Färbung an. Die Schoten trocknen danach, nebeneinander aufgelegt, in der Sonne. La Réunion hat viel Regen, bei Güssen trägt man die Schoten in die Halle. Endet der Niederschlag, kommen sie wieder nach draußen. Letztlich ­müssen sie sich weich, kühl und elastisch anfühlen und einen öligen Effekt auf der Haut auslösen. Die Schoten werden nun zu einem Bündel verschnürt, das bis zu 300 Gramm wiegt und ebenso viele Euro wert ist. Nun kommen sie in eine Box, eingewickelt in ein Spezialpapier gegen Infektionen. Von da an entwickelt sich das Vanillearoma von selbst. Ein Jahr lang liegt das Bündel nur herum. Schließlich werden die Samenkörner gemahlen und als Pulver unterschiedlicher Güteklassen verkauft. 

("Die Presse Schaufenster" vom 23.09.2022)

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