Proteste

Ungeklärter Tod weiterer junger Frau sorgt im Iran für Aufregung

Nika Shakrami
Nika ShakramiAPA/AFP/-
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Die Leiche der 17-jährigen Nika Shakarami wurde vergangene Woche in Teheran gefunden. Die Familie erhebt Foltervorwürfe. Die EU verurteilt unterdessen den Tod von Mahsa Amini als „Mord“.

Der Tod einer weiteren jungen Frau hat bei Unterstützern der Proteste im Iran für Aufregung gesorgt. Die Leiche der 17-Jährigen Nika Shakarami war vergangene Woche nach Polizeiangaben an einem Gebäude in der Stadtmitte Teherans gefunden, und zur Gerichtsmedizin gebracht worden. Seitdem gibt es widersprüchliche Aussagen über ihren Tod. In den sozialen Medien sorgte der Fall auch am Donnerstag für Aufregung.

Familienmitglieder erhoben Vorwürfe, die junge Frau sei vom Geheimdienst verhaftet und getötet worden. Die Polizei erklärte dagegen nach Angaben der Nachrichtenagentur Tahsim, Shakarami sei von einem Hochhaus gestürzt und ihre Leiche erst am nächsten Tag von den Nachbarn entdeckt worden. Sie wies zudem Vorwürfe zurück, wonach Shakaramis Tod im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten stehe. Die Gerichtsmedizin habe bei der Obduktion der Leiche keine Schusswunden festgestellt, aber Frakturen, die auf einen Sturz hindeuteten.

Auslöser der Demonstrationen im Iran ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich "unislamischen Outfits" festgenommen. Sie fiel ins Koma und starb am 16. September im Krankenhaus. Die Polizei weist zurück, Gewalt angewendet zu haben.

Opferzahl steigt weiter

Bei den systemkritischen Protesten steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) teilte am Donnerstag mit, alleine im Südosten des Landes seien bei der Niederschlagung von Protesten 82 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden, darunter Kinder.

Ein Großteil sei am vergangenen Freitag ums Leben gekommen, konkretisierte "Amnesty International". Sicherheitskräfte hätten in der Stadt Sadehan nach dem Freitagsgebet mit scharfer Munition und Tränengas auf Demonstranten, Umstehende und Gläubige geschossen. Zuvor hatte die Menschenrechtsorganisation bereits landesweit 52 Todesopfer dokumentiert - damit liegt die Gesamtzahl der von Amnesty erfassten Opfer seit Beginn der Proteste im September bei mehr als 130. Die iranische Regierung gibt keine Opferzahlen mehr bekannt und hatte auch von Toten aufseiten der Sicherheitskräfte gesprochen.

Die Organisation Iran Human Rights mit Sitz in New York warf den Behörden unterdessen ein gezieltes Vorgehen gegen Aktivisten vor - mehr als 90 Akteure der Zivilgesellschaft seien unter den mehr als 1000 Menschen, die seit Beginn der Proteste Mitte September festgenommen wurden. Darunter seien Journalisten, Filmemacher und Frauenrechtsaktivistinnen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

US-Regierung verhängt Sanktionen

Angesichts des brutalen Vorgehens iranischer Sicherheitskräfte verhängte die US-Regierung weitere Sanktionen gegen Vertreter der iranischen Führung. Das Finanzministerium teilte am Donnerstag in Washington mit, betroffen seien sieben ranghohe Mitglieder der Regierung und des Sicherheitsapparates im Iran. Darunter seien die Minister für Inneres und Kommunikation. Die Sanktionen würden wegen anhaltender Gewalt gegen friedliche Demonstranten und wegen der Sperrung des iranischen Internetzugangs verhängt. Etwaige Vermögenswerte der Betroffenen in den USA werden eingefroren. Geschäfte mit ihnen werden für US-Bürger untersagt.

Auch das Europaparlament verurteilte das Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte und forderte in einer Resolution Strafen für die "Mörder" Aminis. Die Abgeordneten forderten zudem, eine unparteiische Untersuchung des Todes von Amini und der Vorwürfe von Folter und Misshandlung durch eine unabhängige Stelle zuzulassen.

(APA/dpa)

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