ESG, Zinsen, Ukraine- und Energiekrise beherrschten die Gespräche der Messe vom 4. bis 6. Oktober in München. Und: Funktioniert die Krise als Chance? „Die Presse“ hörte sich um.
Corona? Kein Thema. Keine Masken auf den Gesichtern der 40.000 Besucher, Hände wurden geschüttelt wie eh und je. Und während bei den deutschen Kollegen durchaus sorgenvolle Mienen zu sehen waren und sich die deutsche Bundesbauministerin der Diskussion um leistbaren Wohnbau stellte, herrschte bei den Experten aus Österreich durchaus Optimismus vor. Noch? „Die Märkte sind in Bewegung“, sagt Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der Signa Holding. An Geld mangle es dem Immobilienmarkt nicht, doch die steigenden Zinsen machen Kopfzerbrechen. Dazu kommen ESG, Ukraine-Krieg und Energiekrise als Herausforderungen, denen man sich quasi gleichzeitig stellen muss. Zurückhaltende Beobachtung ist nun vielerorts angesagt. „Laufende Rekordpreise, steigende Verkaufsrenditen und ungebremste Renditensenkung sind definitiv vorbei“, sagt etwa Peter Ulm, Geschäftsführer von Allora Immobilien: „Das Geld wird wieder teurer.“
ESG statt Euphorie
Aber birgt die Krise nicht auch Chancen, vor allem in Sachen Nachhaltigkeit und ESG? „Das ist kein Thema, sondern eine Haltung, die bei allen Projekten selbstverständlich sein muss“, definiert Stadlhuber. Dazu gehöre auch, neue Technologien und Möglichkeiten bestmöglich und schnell zu nutzen. „Bei der neuen Werft in Korneuburg gehen wir noch einen Schritt weiter als bei bisherigen Projekten, wir wollen einen energieautarken CO2-freien Stadtteil schaffen.“ Ende 2024 wird mit der ersten Bauphase begonnen.
Auch bei den ÖBB Immobilien blickt man optimistisch in eine nachhaltige Zukunft. Etwa im neuen Stadtentwicklungsgebiet Villach Westbahnhof, und bekannten wie dem Nordwestbahnhof. Geschäftsführerin Claudia Brey: „Hier wird ab 2023 abgerissen, das Material sortiert und mit der Bahn abtransportiert, die Gleise in der Mitte des Areals werden bis 2025 erhalten.“ Dann beginnt die erste von vier Bauphasen. Ausgebaut werden die Bahnsteigdächer, Bike-&-Ride-Anlagen und Parkplatzüberdachungen aus PV-/Glasmodulen. „Ein Stahldach kostet 2100 Euro/m2, PV, noch ohne Strom, 1800 Euro/m2“, rechnet Geschäftsführer Erich Pirkl vor. Auch Holz kommt schon an mehreren Standorten als Bahnsteigdach vor – mit 1400 Euro/m2 und vorgefertigten Modulen eine effiziente Lösung. Der weitere Ausbau ist geplant – beide Dächer sind Standard in der Baunorm und wurden teils schon ausgezeichnet.
Über drei Auszeichnungen freute sich die Süba AG – direkt auf der Expo: Das von ihr entwickelte Plus-Energie-Quartier „PEQ21“ in der Pilzgasse in Wien erhielt das Zertifikat Platin – die höchstmögliche DGNB-Auszeichnung. Die beiden Wohnbau-Projekte in der Münchner Marbachstraße sowie in Budapest, Csatárka ut, erhielten Gold. „Es zeigt, dass wir mit unserer Green-Building-Strategie, dem Verzicht auf fossile Energieträger und dem Fokus auf eine energieeffiziente und CO2-optimierte Bauweise auf dem richtigen Weg sind“, so Heinz Fletzberger, Vorstand der Süba AG. Überreicht wurden die Zertifikate von Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI): „Anhand dieser Projekte zeigt sich, welchen Kurs die Immobilienwirtschaft einschlagen muss, um ökologisch und sozial nachhaltig zu agieren.“
Soziale Verantwortung
Auf einen Blick: Expo Real
„Die Lage ist natürlich herausfordernd“, sagt Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen. „Ich bin optimistisch eingestellt, es werden sich immer Lösungen finden lassen, man muss nur mutig genug sein, die Möglichkeiten zu ergreifen.“ Vor allem beim Thema ESG müsse man die Dinge implementieren, auch die soziale Nachhaltigkeit. Das schaffe zuerst oft Unsicherheiten. EHL habe vor zwei Jahren deshalb die eigene „Corporate Culture“ klar definiert, von der Kundenbetreuung bis zu den Mitarbeitern. „Wir müssen wissen, was sie beschäftigt, und darauf konkret reagieren.Die Beteiligung erreichte mit sieben Hallen, 1887 Ausstellern, knapp 40.000 Teilnehmern aus 73 Ländern und 484 Speakern im Konferenzprogramm nahezu Vor-Corona-Niveau. Themen waren Inflation, Zinspolitik, ESG, bezahlbarer Wohnraum – erstmals suchte mit Bundesbauministerin Klara Geywitz die deutsche Politik den Schulterschluss mit der Immobilienwirtschaft und stellte sich auf zwei Podien der Diskussion zu bezahlbarem Wohnen. www.exporeal.net
Von der Mandelmilch im Büro bis zur nachhaltigen Hausverwaltung.“ Verantwortlichkeit, das ist auch für Christian Schmück, Geschäftsführer Colourfish Real Estate Immobilienmakler GmbH, für das Gelingen der Immo-Zukunft wichtig: „Der Mieter gehört gestreichelt, umsorgt. In guten wie in schlechten Zeiten.“ Die Politik sei extrem gefordert. „Wir müssen das große Ganze sehen, und die Immo-Branche ist ein wichtiges Rad darin.“ Im Investmentbereich agiere man zunehmend zurückhaltend, meint Schmück, der seit 2019 mehrere Assetklassen betreut. „In B- und C-Lagen sehen wir Einbußen von rund 20 Prozent.“
„Wir sehen das private Geld, das jahrelang vom Markt ausgeschlossen war“, bringt Markus Arnold, CEO Arnold Immobilien, den Aspekt ein, den zurückhaltende Investoren mit sich bringen. Erstmals mit eigenem großen Stand für alle zehn Niederlassungen in Europa vertreten, sieht er große Länder-Unterschiede: „Spanien und Portugal beziehen Gas aus Algerien, da bleiben die Preise gleich.“ Von Home-Office oder Vier-Tage-Woche hält er übrigens – in seinem Beruf – nichts. „Work-Live-Balance, das ist für einen Hippie, das können Sie so zitieren.“