Mutig: Immer noch gehen in Russland Menschen auf die Straße, um gegen den Krieg in der Ukraine und die Teilmobilmachung zu demonstrieren.
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Mitreden: Findet Russland jemals zur Demokratie?

Mit dem Friedensnobelpreis wurden heuer Aktivisten ausgezeichnet, die sich unermüdlich für mehr Demokratie einsetzen. Aber: Ist ein demokratisches Russland für Sie vorstellbar? Und was muss dafür passieren? Diskutieren Sie mit!

In Zeiten wie diesen ist es schwer, sich ein demokratisches Russland vorzustellen. Doch es gibt viele Menschen im Land, die sich unermüdlich und teils unter großem Risiko genau dafür einsetzen. Die Menschenrechtsorganisation Memorial wurde daher nun - gemeinsam mit belarussischen und ukrainischen Aktivisten - mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Der Preis für Memorial kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die NGO - die unter anderem Verbrechen der Stalinzeit dokumentierte - in Russland verboten ist: Wenige Monate vor dem Einmarsch in der Ukraine wurde die Auflösung angeordnet. Die Autorin Katharina Tiwald hat sich damals an ihre Arbeit bei Memorial erinnert: „Dass es in Russland diesen und andere Orte der Erinnerung gibt, ist in erster Linie Memorial zu verdanken.“ Und dies, schrieb sie vorausschauend, sei im Jetzt wichtig: „Wenn Kriege in Zukunft verhindert werden sollen, ist eine Rückschau auf vergangenes Unrecht zwingend notwendig."

Doch wie hoffnungslos ist die Situation in Russland? Und wie fest sitzt Präsident Wladimir Putin im Sattel? „Mit der Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine will der Kreml-Chef Stärke zeigen. Doch aus dem Herrscher ist längst ein Getriebener geworden“, schreibt Wieland Schneider in einem Leitartikel. Und weiter: „Sollte er nicht verhindern können, dass die Ukraine bei ihren Gegenoffensiven weiter vorrückt, würde er dann neorussisches Staatsgebiet aufgeben. Und damit würde er völlig sein Gesicht verlieren – gegenüber den Hardlinern in der russischen Führung, die auf ein noch härteres Vorgehen drängen. Aber auch gegenüber den Russinnen und Russen, die von Anfang an den Einsatz in der Ukraine als sinnloses, brutales und kostspieliges Kriegsabenteuer abgelehnt haben."

Auch die britische Historikerin Margaret MacMillan spricht über Putins Schwäche im Interview mit Christian Ultsch. Die jetzt angeordnete Teilmobilmachung sei „extrem peinlich“.

Blicken wir noch nach Belarus, wo der Menschenrechtsaktivst Ales Bialiatski den Friedensnobelpreis erhielt. Die Machthaber der beiden Länder verschreiben sich zunehmend dem Kampf gegen westliche Werte – Putin und Lukaschenko waren etwa beim ersten Treffen der neuen europäischen politischen Gemeinschaft unerwünscht.

Doch im Nachbarland Russland scheint die Stabilität zu bröckeln. „Hat der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Büchse der Pandora für ein Regime geöffnet, das praktisch eine Außenstelle des Kreml ist?“, fragt der polnische Publizist Sławomir Sierakowski in einem Gastkommentar.

Sierakowski schreibt: "Belarussen mit Ukrainern zu vergleichen und die gleiche Art von Widerstand zu erwarten, ist ungerecht. In Belarus gibt es keine oppositionellen Abgeordneten im Parlament oder in den Lokalregierungen, wie das in der Ukraine vor dem Überfall der Fall war.“ Er zieht stattdessen einen interessanten Vergleich zwischen Polen im Jahr 1989. Mehr lesen Sie hier.

Schriftsteller Vladimir Vertlieb, geboren 1966 in Leningrad und schon lange wohnhaft in Österreich, warnt unterdessen in der „Presse“ vor der Ablehnung von allem, was russisch ist: „Was noch vor Kurzem (und sicher bald wieder) 'der' Islam war, ist nun 'der' Russe“. Er stellt sich die Frage, wofür die „freie westliche Welt“ eigentlich kämpft und gibt zu bedenken: „Das Putin-Regime behauptet, die Ukraine sei ein Nazi-Land; wir aber dürfen nicht behaupten, Russland sei ein Land von Faschisten und Verbrechern – es gibt viele Russen, die gegen das Regime sind oder schlichtweg nicht wissen, was in der Ukraine wirklich passiert.“ Sie müsse man versuchen zu erreichen.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Gibt es eine Hoffnung auf eine echte Demokratie in Russland und in Belarus? Was müsste hierfür geschehen? Wie kann „der Westen“ dazu beitragen? 

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