Lebenszyklus

CO2-Bilanz von Gebäuden

Bagger und Kräne sind auf dem Bau für besonders hohe CO2-Emissionen verantwortlich.
Bagger und Kräne sind auf dem Bau für besonders hohe CO2-Emissionen verantwortlich. Getty Images
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Die Bauwirtschaft ist für zehn Prozent aller Emissionen weltweit verantwortlich. Es gibt aber Einsparungspotenzial, wie erfolgreiche Beispiele zeigen.

Die CO2-Bilanz eines Gebäudes ist alles andere als erfreulich: Die Herstellung von Baumaterialien wie Zement, Beton oder Stahl, die Bauausführung, der Betrieb des Gebäudes und möglicherweise dessen Abbruch – all diese Etappen im Lebenszyklus desselben sind zum Teil sehr energieintensiv und verursachen hohe Emissionen: Allein die Bauindustrie ist daher für zehn Prozent aller Emissionen weltweit verantwortlich.

Baumaterial als Klimasünder

„Die meisten Emissionen entstehen durch die Produktion der Baumaterialien“, erklärt Maximilian Weigert vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Wien, der dort zum Thema CO2-neutrale Baustelle forscht. Der zweitgrößte Verursacher ist der Betrieb von Baustellen. Das beginnt bei allfälligen Aushubarbeiten: „Bagger gehören zu den größten Emittenten“, weiß Weigert. Dazu kommen die Lkw-Fahrten zum Abtransport des Aushubs und gegebenenfalls Spezialmaßnahmen, etwa zur Sicherung der Baugrube beziehungsweise zur Festigung des Bodens. „Beim Düsenstrahlverfahren beispielsweise wird Zement mit 300 Bar in den Boden geschossen, um den Baugrund zu festigen“, sagt der Baubetriebsforscher. Beim Spezialtiefbau, wie dem U-Bahn-Bau, ist laut dem Experten das Gefrieren des Bodens eine gängige Maßnahme zur Stabilisierung. „Beide Maßnahmen benötigen extrem viel Energie“, berichtet Weigert. Gleiches gelte später für den Einsatz von Kränen, die mit Strom betrieben werden, oder für den Antransport von Baumaterialien.

Bessere Organisation am Bau

Der 4000 Quadratmeter große Weinkeller der Bio-Winzerfamilie Gruber wird im Rahmen eines von der TU Wien begleiteten Projekts besonders CO2-sparend gebaut.
Der 4000 Quadratmeter große Weinkeller der Bio-Winzerfamilie Gruber wird im Rahmen eines von der TU Wien begleiteten Projekts besonders CO2-sparend gebaut. [ Weingut Gruber]

„Ein großer Hebel, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, ist daher die Baustellenorganisation“, sagt Weigert. Indem beispielsweise Materialien regional bezogen und just in time zur Baustelle gebracht würden, könnten Wege gespart werden. Gleiches gelte, wenn Fahrzeuge und Maschinen mit erneuerbarer Energie betrieben werden. „Außerdem wird es dadurch leiser, und die Luft wird besser“, weist Wegert auf positive Nebeneffekte hin, die vor allem in der Stadt entscheidend sein können.

Beispiel mit TU-Begleitung

Wie eine CO2-neutrale Baustelle aussieht, macht aktuell die Röschitzer Bio-Winzerfamilie Gruber vor. Gemeinsam mit dem Energielieferanten Energie Direct aus St. Pölten und der bauausführenden Firma Gnant aus Tulln sowie begleitet von der TU Wien wurde im Zuge der Errichtung eines rund 4000 Quadratmeter großen Weinkellers plus Verkaufs- und Verkostungsraum und Büros die „CO2-neutralste Baustelle Österreichs“ realisiert. „Bis zur fertigen Baugrube haben wir dieses Ziel schon erreicht“, sagt Maria Wegscheider, die das Weingut gemeinsam mit ihren Brüdern Ewald und Christian führt. Um den CO2-Ausstoß so weit wie möglich zu vermeiden, wurden die dafür benötigten Baumaschinen und Lkw mit synthetischem Kraftstoff, konkret mit hydrierten Pflanzenölen (HVO) der zweiten Generation, betrieben. „Dieser wird aus altem Fett hergestellt“, sagt Wegscheider. Allein durch den Verzicht auf fossilen Diesel sei der CO2-Ausstoß um 80 bis 90 Prozent – das entspricht etwa sieben bis acht Tonnen CO2, – reduziert worden, sagt Wegscheider. Darüber hinaus wurde der Aushub, um lange Wege beim Abtransport zu vermeiden und den fruchtbaren Lössboden zu retten, nicht auf eine 25 Kilometer entfernte Deponie, sondern zu einer nur knapp einen Kilometer entfernten landwirtschaftlichen Fläche gebracht. „Diese war eine Hanglage, und das Regenwasser ist immer abgeronnen. Mit dem Aushub haben wir die Fläche begradigt, die Erosion dadurch gestoppt, und wir werden dort Weinreben pflanzen“, erzählt Wegscheider. Die dennoch entstandenen Emissionen sollen durch Investitionen in ein nachhaltiges Klimaprojekt kompensiert werden.

Einsparpotenzial sieht Weigert aber nicht nur bei den Bauprozessen selbst, sondern auch in der Baustelleneinrichtung. „Die meisten Baucontainer sind nicht gedämmt und werden mit Strom geheizt beziehungsweise gekühlt“, so der Forscher. Eine gute thermische Dämmung, Solarpaneele auf dem Dach sowie effiziente Beleuchtungstechnik, Heiz- und Kühlsysteme würden deren Energieeinsatz jedoch deutlich reduzieren. Bis zu fünfzig Prozent des CO2-Ausstoßes könnten durch organisatorische Maßnahmen, den Einsatz innovativer technologischer Entwicklungen sowie Kompensation eingespart werden, hat eine Ende 2021 von Weigert und seinem Kollegen Leopold Winkler veröffentlichte Studie gezeigt.

Oft gar keine Mehrkosten

Im Rahmen des Projekts „CO2-neutrale Baustelle“ fanden sie auch heraus, dass vor allem die entstehenden Kosten abschreckend auf die Akzeptanz der Maßnahmen wirken. „Dabei konnten wir zeigen, dass viele Maßnahmen kostenneutral bis kostenpositiv sind. Beispielsweise rentiert sich die Anschaffung kleiner E-Bagger in vielen Fällen schon heute“, sagt Weigert. Zwar seien batteriebetriebene Fahrzeuge in der Anschaffung teurer als Verbrenner, doch sind die Kosten für Antrieb und Wartung meist niedriger.

Ebenfalls wissenschaftlich begleitet worden war das erste CO2-neutrale Einfamilienhaus in Österreich. Als eines von sechs europäischen Demonstrationsobjekten wurde es 2010 vom Dachfensterhersteller Velux nach dem Entwurf von Hein Troy Architekten errichtet und von der Donau-Universität Krems sowie dem IBO (Austrian Institute for Healthy and Ecological Building) wissenschaftlich begleitet.

Licht- und Lüftungskonzept

Um ein umfassendes und nachhaltiges Bau- und Wohnkonzept zu schaffen, lag der Fokus in der Planung – neben der nachhaltigen Materialwahl – vor allem auf einem durchdachten Tageslicht- und Lüftungskonzept. Ziel war, durch einen außergewöhnlich hohen Tageslichtanteil – 42 Prozent der Grundfläche entfallen auf Fenster – tagsüber ohne Kunstlicht auszukommen und neben den positiven Auswirkungen auf den Menschen auch den Energieverbrauch zu reduzieren.

Erfolgreiche Gesamtplanung

Auf einen Blick

CO2-Emissionen aus Errichtung und Betrieb wurden zusätzlich neutralisiert. Messungen und Aufzeichnungen des Monitorings haben gezeigt, dass der Energieertrag den jährlichen Energieverbrauch sogar übersteigt. „Unser damaliges Vorzeigeprojekt zeigt, dass der Bau von CO2-neutralen Gebäuden nicht nur in der Theorie möglich ist, sondern diese auch den Praxistest bestehen – im Fall des Sunlighthouse bereits seit über zehn Jahren. Durch das Projekt wird deutlich, wie sich eine gute und integrale Planung langfristig auf die Lebensqualität der Bewohner, aber auch die Umwelt auswirkt“, sagt Christina Brunner, Tageslicht- und Planungsexpertin bei Velux Österreich.Der größte CO2-Verursacher auf dem Bau ist nach der Produktion der Baustoffe die Baustelle selbst. Neben dem Aushub und dem Transport sind Methoden zur Stabilisierung energieintensiv. Hier bieten organisatorische Maßnahmen und der Betrieb von Baumaschinen mit erneuerbarer Energie Einsparungspotenzial. Eine klimatechnisch günstige Planung senkt weiter den CO2-Fußabdruck des Gebäudes.

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