Junge Forschung

Eine Schere, die auch klebt

Übergeordnetes Ziel ihrer Forschung sei, ein Medikament gegen Krebs oder Alzheimer zu entwickeln, sagt Elfriede Dall.
Übergeordnetes Ziel ihrer Forschung sei, ein Medikament gegen Krebs oder Alzheimer zu entwickeln, sagt Elfriede Dall. [ Wildbild/Herbert Rohrer ]
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Die Molekularbiologin Elfriede Dall kann mit 1,2 Millionen Euro Forschungsförderung die in Salzburg entdeckte „Klebe“-Funktion der Protease Legumain weiter erforschen.

Manche schauen sich ganze Zellen an, wir stellen einzelne Proteine her und untersuchen deren Struktur, Funktion und Interaktionen.“ So beschreibt Elfriede Dall ihre Arbeit in der Strukturbiologie. Die Molekularbiologin forscht an einem ganz besonderen Protein, dem Legumain. Dieses Enzym ist vor allem durch seine „Schneide“-Funktion im Immunsystem bekannt.

Der Hintergrund: Eindringlinge in den Körper können nicht als Ganzes vom Abwehrmechanismus erkannt werden. „Diese Feinde müssen zuerst in kleine Teile, sogenannte Peptide, zerteilt werden. Legumain ist ein Enzym, das den Angreifer in diese appetitlichen Häppchen zerteilen kann, damit sie erkannt werden“, erklärt Dall. Zur Überraschung des Teams um Dall an der Universität Salzburg hat Legumain aber auch die gegenteilige Funktion. „Legumain kann nicht nur Proteine schneiden, sondern auch neu verknüpfen, also kleben. Das ist für uns sehr spannend, weil das noch weitgehend unerforscht ist.“

Oberösterreicherin überzeugte Jury

Warum das Protein über diese Doppelfunktion verfügt und was es „klebt“, kann Dall in den nächsten sechs Jahren dank der Start-Auszeichnung des Wissenschaftsfonds FWF erforschen. Mit einer Fördersumme von 1,2 Millionen Euro ist das der höchstdotierte Wissenschaftspreis Österreichs für Nachwuchsforscherinnen. „Das Geld ist auch schon bis auf den letzten Euro verplant. Es erlaubt uns, großes Wissen in einem kurzen Zeitraum zu gewinnen“, freut sich Dall. Entsprechend hart ist der Wettbewerb, wie sie erzählt: „Die Bewerbung läuft in zwei Stufen: zuerst die externe Begutachtung durch drei Gutachter und dann das Hearing mit einer internationalen Jury, in der auch zwei Nobelpreisträger waren.“ Die aus Oberösterreich stammende Wissenschaftlerin konnte in beiden Phasen überzeugen.

„Ziel des Projekts ist unter anderem, eine Methode zu entwickeln, um die ,Klebe‘-Funktion von Legumain sichtbar zu machen“, sagt Dall. „Mehrere Gruppen forschen an Legumain, auch im Kontext von Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen. Viele haben aber nicht die Möglichkeit, diese Funktion gezielt anzuschauen, weil es keine einfache Methode zur Untersuchung gibt.“

Denn das Enzym wirkt nicht nur in seiner „natürlichen“ Umgebung. In neurodegenerativen Erkrankungen – dazu zählen unter anderem Alzheimer und Multiple Sklerose – und Krebs wurde Legumain auch in anderen Teilen der Zelle gefunden. Dies ist für Dall ein interessanter Aspekt: „Da dort die neutrale pH-Umgebung herrscht, die wichtig für die ,Klebe‘-Funktion ist, gehen wir davon aus, dass diese Funktion bei diesen Krankheiten eine wichtige Rolle spielt.“

Daneben sind die verschiedenen Formen, in denen Legumain vorkommt, von Bedeutung für dessen Funktionalität. „Es gibt eine Pro-Form, sozusagen das neugeborene Legumain, das noch keine enzymatische Funktion hat. Dann gibt es ein Kinderstadium und ein Erwachsenenstadium. In den meisten Labors wird die erwachsene Form angeschaut, weil man das kennt.“ Für die Klebefunktionen sei aber die Kinderform besonders interessant, weil sie bei neutralem pH stabil ist, so Dall.

Nach hoch hängenden Früchten greifen

Es gibt also noch viel Arbeit für die passionierte Radfahrerin und Wanderin. Für sie ist Salzburg freilich nicht nur in puncto Hobbys der ideale Ort: „Hier habe ich ein super Umfeld, wo ich schon viele Methoden etabliert habe.“ Auch die Unterstützung ihres Chefs, Hans Brandstetter, weiß die 38-Jährige sehr zu schätzen: „Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ihm ein wichtiges Anliegen. Und mir hat er als Chef von Beginn an die Freude an der Wissenschaft vermittelt.“

Diese Freude hört man der Forscherin an, wenn sie davon spricht, dass ein klares Ziel auch die potenzielle Entwicklung eines Medikaments gegen Krebs oder Alzheimer sein wird: „Man muss nach den Früchten greifen, die ganz oben hängen! Aber das ist noch ein sehr langer Weg. Da wird ein Projekt nicht ausreichen.“

Zur Person

Elfriede Dall (38) erhielt 2022 mit dem Startpreis Österreichs höchstdotierten Wissenschaftspreis für Nachwuchsforschende. Sie studierte Molekularbiologie an der Uni Salzburg, wo sie seit dem Doktorat (2013) an der Protease Legumain forscht. Ihre Dissertation wurde von der ÖAW mit einem Doktoratsstipendium gefördert, danach erhielt Dall ein Einzelprojekt des Wissenschaftsfonds FWF.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung 

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