Das 2:2 nach 2:0-Führung gegen Dortmund lässt die Kritik an Bayerns Mannschaft und Trainer Julian Nagelsmann lauter werden. Und wieder stellt man sich die Frage: Braucht es doch einen Mittelstürmer?
München/Wien. Mit einer Nacht Abstand zeigte Oliver Kahn Selbstironie. Das viral gehende Video seines wilden Wutausbruchs twitterte der Vorstandschef des FC Bayern München und schrieb dazu: „Dieses Ergebnis haut einen doch vom Stuhl?“
Nach dem späten 2:2 im Liga-Topspiel bei Borussia Dortmund hatte Kahn am Abend zuvor auf der Tribüne wie einst auf dem Feld wild gebrüllt, sich in seinen Sitz geworfen und konnte dabei froh sein, dass er sich beim heftigen Schlag auf den Rammschutzbügel nicht an der Hand verletzte. Als er das Spiel knapp eine Stunde später vor dem Mannschaftsbus analysierte, formulierte er seine deutlichen Forderungen leise und mit fast zusammengepressten Lippen. Klar war die Ansage dennoch: Die Schonfrist beim FC Bayern ist endgültig vorbei.
„Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen“, sagte Kahn nach der verspielten 2:0-Führung und dem Ausgleich in der fünften Minute der Nachspielzeit: „Wir müssen einfach Ergebnisstabilität reinbringen. Wir müssen schnell Erster werden und können uns nicht darauf verlassen, dass die Mannschaften, die über uns sind, immer nur unentschieden spielen oder verlieren.“ Ob er die vor den Bayern liegenden Außenseiter Union Berlin und SC Freiburg als echte Konkurrenten auf den Titel sieht, blieb dabei ebenso offen wie die Frage, inwiefern die Kritik auch an Trainer Julian Nagelsmann gerichtet ist. Auf die Frage, ob er in den nächsten Tagen mit medialer Kritik an seiner Person rechne, sagte dieser im ZDF: „Wahrscheinlich ja.“ Der 35-Jährige ließ klar erkennen, dass ihn das nervt und anfasst.
Wie in den letzten neun Monaten auch werde er mit alledem umgehen, sagte Nagelsmann über die erwartete Kritik. „Mein Leben hat noch ein paar mehr Komponenten. Ich gebe jeden Tag mein Bestes. Wenn ich abends in den Spiegel schauen kann, ist das sehr wertvoll. Egal, was andere darüber berichten, schreiben oder erzählen.“ Auch auf das Gerede von Ex-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge vom „Trainertalent“ reagierte er ungewohnt dünnhäutig. „Das sagen ja alle, nicht nur Karl-Heinz Rummenigge. (...) In meinen Augen sagen es auf jeden Fall zu viele“, sagte er und ergänzte trotzig: „Ich bin ja auch ein Trainertalent, da bin ich stolz drauf.“
In den Augen von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß ist derweil für eine Trainerdiskussion „überhaupt kein Grund vorhanden“. Das Spiel in Dortmund aus der Hand zu geben, sei aber „eigentlich nicht bayern-like“, sagte der 70-Jährige in der Sendung „Der Sonntags-Stammtisch“ im BR-Fernsehen. Auf die Frage, was denn bayern-like sei, antwortete der langjährige Bayern-Macher. „Mia san mia. Einfach großes Selbstvertrauen und den anderen sagen: Jetzt kommt's mal schön und dann haut man ihnen das dritte rein.“
Hoeneß, und damit ist er nicht allein, vermisst einen Stürmertypen wie Robert Lewandowski beim FC Bayern. „Eines ist ganz sicher, dass ich glaube, dass uns schon ein Neuner fehlt.“ Es sei eine „schwierige Entscheidung“ gewesen, den Polen im Sommer abzugeben. „Mit dem Risiko, dass man bestimmte Tore nicht mehr macht, nämlich so eines wie Modeste in der Nachspielzeit.“ Schon während des Wintertransferfensters könnten die Bayern in dieser Frage reagieren. Wiederholt war darüber spekuliert worden, dass Harry Kane von Tottenham Hotspur ein Thema sein könnte.
(DPA/red.)