Interview

Markus Wallner: „Ich hoffe, dass das grüne Telefon funktioniert“

LH Markus Wallner
LH Markus Wallner(c) Stiplovsek Dietmar
  • Drucken

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) spricht über Alternativen zur Windkraft und sieht sich selbst noch lang in der Politik.

Die Presse: Während Ihrer Abwesenheit hat Ihre Vertreterin Schöbi-Fink kritisiert, dass die Menschen in Vorarlberg nicht von der Strompreisbremse profitieren. Teilen Sie diese Ansicht?

Markus Wallner: In Vorarlberg haben wir langfristige Lieferverträge bis April 2023 und bis dahin liegt der Energiepreis ohne Netztarif knapp unter zehn Cent. Allerdings ist auch in Vorarlberg zu erwarten, dass die Preise mit 1. April erhöht werden, und dann werden auch die Menschen in Vorarlberg zum Zug kommen. Deshalb wurde die Stormpreisbremse bis 30. Juni 2024 angesetzt. Eine ähnliche Situation gibt es übrigens auch in Tirol.


Die Bundesländer Vorarlberg und Tirol sind also ausschlaggebend dafür, dass die Strompreise bis 2024 gefördert werden?

Ja, die Gespräche wurden dahingehend von uns angestoßen. Damit haben die Haushalte eine stabile Preislage bis 2024.

Impressum

Dieses Interview erscheint im Rahmen von „Austria's Leading Companies“. Die Beilage wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, DONAU Versicherung und Wiener Städtische Versicherungsverein, Škoda, TÜV AUSTRIA sowie Zero Project.

Redaktion: Hans Pleininger, hans.pleininger@diepresse.com 
Autoren: Christian Scherl, Matthias Auer
Grafik: Martin Misarz
Infografik: Gregor Käfer
Content Management: Isabella Karner


Vorarlberg ist von Deutschland abhängig, um an Gas zu kommen, die Leitungen verlaufen über deutschen Boden. Eine Absichtserklärung, dass Gas bedingungslos zur Verfügung gestellt wird, wurde von Leonore Gewessler und Robert Habeck unterzeichnet, das notwendige nachbarstaatliche Abkommen fehlt noch. Beunruhigt Sie das?

Ich hoffe, dass das grüne Telefon funktioniert und die beiden Verantwortlichen bald zu einem Ergebnis kommen. Unser Energieversorger ist bereits bei einem guten Wert angekommen und hat ein Viertel der Jahresleistung gespeichert. Nur nicht bei uns, sondern in Oberösterreich. Deshalb brauchen wir die Durchleitung über deutschen Boden. Üblicherweise stellt das kein Problem dar, aber das muss natürlich gewährleistet sein. Wir haben nur noch wenige Wochen Zeit, es wäre also dringend notwendig, dass dieses Abkommen unterschrieben wird. Im Sinne einer guten Rechtssicherheit und zur Absicherung ist es enorm wichtig, dass man einen Abschluss findet. Verständnis für diese lange Verzögerung habe ich nicht.


Sind Sie mit Ministerin Gewessler diesbezüglich in Kontakt?

Dafür muss ich nicht jeden Tag dreimal anrufen, die Dringlichkeit liegt in der Natur der Sache. Der Ministerin ist das Problem seit Langem bekannt, deshalb gibt es auch die Absichtserklärung. Man schiebt sich wechselseitig die Gründe für die Verzögerung zu, aber davon haben wir nichts.


Das klingt nach eisiger Stimmung mit der Ministerin.

Das will ich nicht an Personen festmachen. Wir versuchen immer eine partnerschaftliche Haltung gegenüber dem Bund einzunehmen, und in dieser Sache herrscht auch grundsätzlich Einigkeit. Aber es gibt leider die Angewohnheit, dass Vorarlberger Interessen nicht immer gehört werden.


Wird Vorarlberg ein Windrad bekommen?

Ich verstehe den Eiertanz um die Windräder in Vorarlberg nicht. Das Potenzial ist hier enden wollend – man sollte den Einsatz für erneuerbare Energiequellen nicht anhand eines Windrads diskutieren, sondern die gesamte Situation betrachten. Ich habe kein Verständnis dafür, dass einerseits beim Errichten von Windrädern Gemeinde- und Anrainerinteressen übergangen werden sollen, aber andererseits ein Wasserkraftwerk eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit einer Dauer von fünf bis sieben Jahren benötigt. Dass ich diese Scheinheiligkeit der Debatte aufzeige, gefällt nicht allen. Wir stellen uns da nicht quer, aber es ist unrealistisch, dass in Vorarlberg Hunderte Windräder stehen – dafür ist das Bundesland zu gebirgig und zu dicht besiedelt. Wir planen hingegen ein Jahrhundertprojekt mit einem Wasserkraftwerk.


Sie planen das größte Pumpspeicherkraftwerk Österreichs.

So ist es, und die derzeitige Planung heißt aufgrund langwieriger Verfahren, dass es erst 2037 ans Netz angeschlossen werden kann – bis dahin ist die Energiewende verschlafen. Warum können wir nicht die UVP-Verfahren beschleunigen und das Kraftwerk schon im Jahr 2030 ans Netz nehmen? Das ist ein Jahrhundertprojekt.


Wie können die Verfahren beschleunigt werden?

Zentrale Projekte der Energiewende müssen priorisiert werden, und bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen muss ein Beschleunigungsprozess stattfinden.

Im Frühjahr wurde viel über Heliskiing am Arlberg gesprochen, und in der jüngeren Vergangenheit sollte die Grubenalpbahn in Lech in ein Naturschutzgebiet verlängert werden. Die Umwidmung ist erfolgt – bis der Verwaltungsgerichtshof eingeschritten ist. Setzt Vorarlberg die wirtschaftlichen Interessen über die des Naturschutzes?

Das ist grüne Propaganda. Ich kann gern eine Liste zur Verfügung stellen, von Projekten, die wir nicht umgesetzt haben. Das Aufbrechen der Landesgrünzone im ganzen Land liegt unter drei Prozent.


Im Nachbarbundesland Tirol wurde Tempo 100 km/h fast flächendeckend aufgrund des IG-L umgesetzt. Können Sie sich das für Vorarlberg auch vorstellen?

Wir haben auch Teile davon in Vorarlberg, zum Beispiel bei Feldkirch.


Das ist ein verhältnismäßig kleiner Teil.

Das stimmt. Wir arbeiten mit der Asfinag an einer Verkehrsbeeinflussungsanlage und damit an einem flexiblen System – das wäre die beste Lösung. Auf der Rheintalautobahn haben wir vor allem Probleme mit Stoßwellenverkehr – vor allem in den Wintermonaten rast der Reiseverkehr ungebremst auf das Montafon und den Arlberg zu. Im Sinn des Umweltschutzes und auch der Verkehrssicherheit setzen wir uns für die Anlage ein: Das bedeutet, dass wir zu bestimmten Zeiten auch unter das Tempo 100 kommen könnten, aber zwischendurch kann die Beschränkung auch einmal höher sein. Der Verkehr zwischen Pfändertunnel und Arlberg soll wie städtischer Verkehr geregelt werden.


Wie sehr leidet Vorarlberg am Fachkräftemangel im Hinblick auf die Wintersaison?

In unserem Land sind die Industrie- und Produktionswirtschaft sehr stark – wir haben gemeinsam mit Oberösterreich den höchsten Produktionsanteil und die höchste Exportrate. Der Mangel an Fachkräften trifft uns also mehr in der Tiefe als in der Breite. Natürlich sind wir auch touristisch ein Anziehungspunkt, aber die Fachkräfte fehlen nicht nur im Tourismus. Wir haben in Vorarlberg eine Konkurrenzsituation mit der Schweiz – so eine starke Nachbarschaft hat sonst niemand in Österreich.


Kann man diese Fachkräfte nicht dazu bringen in Vorarlberg zu bleiben?

Die Lohnunterschiede sind teilweise zu groß, um diese als Arbeitgeber in Vorarlberg ausgleichen zu können. Etwa bei dem Gehalt eines Pädagogen oder bei einer Pflegekraft.


Wünschen Sie sich persönlich, dass mehr Unternehmen an der Börse notiert sind?

Unsere Industrie ist zwar mittelständisch, aber trotzdem global ausgerichtet und großteils in Familienhand. Das hat eine bestimmte Kultur geschaffen, und das sehen wir auch positiv.


Wird der Wirtschaftsstandort Vorarlberg noch weiter wachsen?

Es gibt eine Standortgesellschaft und eine eigene Marke Vorarlberg. Im Moment fokussieren wir uns auf die Erweiterungsmöglichkeiten der eigenen Industrie. Diese hat sich in den vergangenen Jahren gesund entwickelt. Das stellt uns aber vor neue Probleme, denn der Platz ist begrenzt, und Produktionsabläufe müssen umgestaltet werden, wenn sich die Unternehmen vergrößern wollen. Zudem sind seit der Pandemie auch Lagerflächen wieder ein Thema. Zuvor waren Lagerkapazitäten eher rollierend auf die Straße und den Schienenverkehr ausgelagert. Das Rheintal wächst sehr stark, und jeder Quadratmeter ist heiß umkämpft, das schlägt sich auch in den Grundstückspreisen nieder.


In Vorarlberg regieren Türkis und Grün schon jahrelang gemeinsam. Haben die Anschuldigungen der WKStA die Zusammenarbeit auf die Probe gestellt?

Es hat eine gewisse Spannung mit sich gebracht, aber wir bemühen uns tagtäglich, eine gute Zusammenarbeit zu halten.

Das Vertrauensverhältnis wurde nie infrage gestellt?

Es hatte keine substanziellen Auswirkungen. Diskussionen und Spannungen sind aufgetreten, aber die Zusammenarbeit wurde nie ernsthaft infrage gestellt. Alle Beteiligten wissen: Aus dem Blickwinkel der Bevölkerung ist die Zusammenarbeit zwischen Partei und Regierung die einzig richtige Antwort, weil in der Gesellschaft und Wirtschaft viel unsicher ist.


Haben Sie für sich persönlich ein Limit gesetzt?

Ich übe diese Funktion seit elf Jahren aus, da weiß man, dass man eine hohe Verfügbarkeit benötigt. Man lernt aber, eine Balance zu halten. Limit habe ich mir keines gesetzt, aber ich habe einen Vorsatz: zumindest gelegentlich offline bleiben.


Haben Sie ernsthaft in Betracht gezogen, aus der Politik auszuscheiden?

Nein.

Zur Person

Markus Wallner wurde 1967 in Bludenz geboren. Er studierte in Innsbruck Politikwissenschaften und Geschichte. Nach dem Studium war er Mitarbeiter bei der Industriellenvereinigung Wien und Vorarlberg sowie bei der EU-Kommission in Brüssel. Seine politische Karriere begann Wallner 1997 als Büroleiter des ehemaligen Landeshauptmanns Herbert Sausgruber. Danach wurde er ÖVP-Landesgeschäftsführer, Landtagsabgeordneter, Klubobmann der Landtagsfraktion und Landesstatthalter von Vorarlberg. Im Dezember 2011 übernahm Wallner das Amt als Landeshauptmann von Vorarlberg.

Wallner hatte sich am 22. Juni nach turbulenten Monaten zur Erholung zurückgezogen und ist seit 11. September wieder im Amt. Unter anderem sind bei einer Finanzprüfung des Vorarlberger Wirtschaftsbunds Ungereimtheiten zutage getreten, auch ein Korruptionsvorwurf gegen Wallner wurde geäußert. Seitdem ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Der Landeshauptmann wird bei den Ermittlungen als Verdächtiger geführt, nicht als Beschuldigter.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.