Sieben Kandidaten traten heuer zur Bundespräsidentenwahl an. Dem amtierenden Präsidenten Alexander van der Bellen (im Bild seine Anhänger in Erwartung der ersten Ergebnisse bei der sonntäglichen Wahlparty) blieb eine Stichwahl erspart.
Medien

Pressestimmen zur Wahl: "Ein wahres Gruselkabinett von Querköpfen"

Der alte und neue Bundespräsident heißt Alexander van der Bellen. Was internationale Medien über den Wahlausgang und den Wahlkampf in Österreich berichteten.

„Ein unwürdiges Kabarett"

„Van der Bellen erwies sich in dieser Umbruchsphase als ruhender Pol, der Verlässlichkeit ausstrahlte. In einem Land, das zu übertriebener Aufgeregtheit neigt, war seine geradezu demonstrative Gelassenheit oft wohltuend. Obwohl sich ihm die Möglichkeit dazu mehrmals bot, verzichtete er auf Aktivismus. Auch der erste Präsident, der nicht den einstigen Grossparteien SPÖ und ÖVP entstammt, pflegte damit das traditionelle Rollenverständnis. [...]

Er sah sich zwar von sechs Gegenkandidaten herausgefordert, so vielen wie noch nie. Doch es handelte sich um ein wahres Gruselkabinett von Querköpfen, denen es primär um Aufmerksamkeit und Selbstinszenierung ging. Im Kreis mit einem vulgären Wut-Blogger, einem esoterischen Schuhproduzenten, diversen Putin-Verstehern und Impfskeptikern waren bezeichnenderweise die Kandidaten der FPÖ und der Bierpartei noch die seriöseren. Der Wahlkampf verkam so zu einem unwürdigen Kabarett, in dem nur gewetteifert wurde, wer die Regierung am schnellsten in die Wüste schicken würde.

Für das Amt des Bundespräsidenten waren Van der Bellens Gegner allesamt gänzlich ungeeignet. Und doch vereinten sie 44 Prozent der Stimmen auf sich. Das zeigt ein dramatisches Ausmass von Frust und Zorn gegenüber den politischen Eliten."

Meret Baumann, "Neue Zürcher Zeitung"

„Den Diskurs Demokratieskeptikern und Demagogen überlassen"

"Die Erleichterung über das Ergebnis war im Van-der-Bellen-Lager nicht zu überhören. Frühere Bundespräsidenten waren bei ihrer Wiederwahl in der Zweiten Republik fast immer weit über 60 Prozent gekommen. Aber die Voraussetzungen in diesem Wahlkampf waren selbst für einen etablierten und scheinbar konkurrenzlosen Amtsinhaber, der sich in seinen sechs Dienstjahren viel Respekt erarbeitet hatte, ungewöhnlich. Anstelle von seriösen Gegenkandidaten etablierter Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, hatten sich diesmal, bis auf einen Kandidaten der FPÖ, vorwiegend Vertreter von Kleinstparteien sowie parteilose Individualisten zur Wahl gestellt. [...]

Van der Bellen hatte sich den Fernsehduellen ebenso verweigert wie den Elefantenrunden, wofür er auch Kritik erntete, weil er damit den Diskurs Demokratieskeptikern und Demagogen überlassen habe. So war der TV-Wahlkampf dominiert gewesen von Politikern und Newcomern, die über die Entlassung der Regierung, den Austritt aus der EU und die Abschaffung aller Russland-Sanktionen schwadronierten, sich über Covid-Maßnahmen echauffierten und das "Establishment" angriffen. In Zeitungskommentaren war von "Clowns" und "Spaßpolitikern" die Rede gewesen."

Cathrin Kahlweit, „Süddeutsche Zeitung“ (München)

„Ein Pflichtsieg – mehr aber auch nicht"

„Die Latte lag hoch. Sein Vorgänger, der frühere SPÖ-Politiker Heinz Fischer, erreichte bei der Wiederwahl im Jahr 2010 fast 80 Prozent – davon ist Van der Bellen weit entfernt. Überhaupt ist er für einen Amtsinhaber erstaunlich unbeliebt. 

Alexander Van der Bellen ist für viele seiner Wählerinnen und Wähler ganz einfach das kleinere Übel. Das war schon im Jahr 2016 so. Damals gewann er nicht, weil er mit seinen Inhalten überzeugen konnte und er die Massen begeisterte. Nicht einmal ein Drittel stimmte aus voller Überzeugung für ihn. Mehr als die Hälfte wählte ihn, weil er nicht Norbert Hofer war."

Florian Gasser, „Die Zeit“ (Hamburg)

„Das Potenzial für neue Parteien ist in der Alpenrepublik besonders groß"

„Es zeichnet sich ab, dass die im Präsidentenwahlkampf angetretenen rechten Konkurrenten auch bei anderen Urnengängen antreten. Der Anwalt Tassilo Wallentin und der Blogger Gerald Grosz könnten bei kommenden Wahlen mit eigenen Parteien um Wähler buhlen. Neben der ohnehin schon vorhandenen Impfgegnerplattform MFG zielen sie auf dieselben Wählergruppen ab wie die FPÖ. Die Auffächerung der Parteienlandschaft betrifft aber auch die politische Linke: Dominik Wlazny, der mit seiner Bierpartei schon in einigen Wiener Bezirksparlamenten sitzt, hat durch die Präsidentschaftskampagne seine Bekanntheit massiv gesteigert. Der Musiker punktet bei jüngeren Wählern, aber auch bei bisherigen Wählern von SPÖ und liberalen Neos.

Das Potenzial für neue Parteien ist in der Alpenrepublik besonders groß. Mehrere Umfragen belegten, dass viele Österreicher offen dafür sind, ihre bisherigen Präferenzen aufzugeben. Aus diesem Grund gab es in den vergangenen Monaten schon Überlegungen, um den früheren Bundeskanzler Christian Kern eine neue politische Kraft zu zimmern – doch der Sozialdemokrat winkte ab.

„Viele Leute sitzen im Wartesaal", sagte ein Wiener Polit-Stratege dem „Spiegel“ schon im Frühjahr. Die Präsidentschaftswahl zeigt, dass Polit-Neulinge wie Bierpartei-Gründer Wlazny und der Rechtsanwalt Wallentin bereit sind, die Wartenden abzuholen.

Oliver Das Gupta, „Spiegel“ (Hamburg)

„Eine gute Sache"

"In einem Klima der politischen Instabilität wollte Alexander Van der Bellen Sicherheit geben: Seine reflektierten Reden, seine getragene Stimme, seine väterliche Figur erhielten das Vertrauen der Österreicher in deren Institutionen. (...) Auch wenn Alexander Van der Bellen während seiner Amtszeit niemals sein Engagement für den Klimaschutz oder Europa versteckt hat, mischte er sich doch nur selten in die politische Debatte ein, was ihm mitunter auch vorgehalten wurde. Doch es war zweifellos diese seinem Amt innewohnende Distanz, die aus dem früheren Abgeordneten und Grünen-Chef die bevorzugte politische Persönlichkeit der Österreicher gemacht hat. Alexander Van der Bellen wird nicht als ein Politiker wie jeder andere angesehen, und in einem Land, in dem das Vertrauen ins politische Personal erodiert, ist das eine gute Sache."

"Le Temps" (Genf)

„Ein Symbol der Stabilität"

"Van der Bellen, ein Unabhängiger mit umweltbewusster Vergangenheit, gilt als Symbol der Stabilität angesichts der Inflation, der Energiekrise und anderer Folgen der russischen Invasion in der Ukraine und vermeidet es, mit dieser absoluten Mehrheit in einen zweiten Wahlgang zu gehen. Bei seiner Stimmabgabe am Vormittag in Wien antwortete er auf die Frage der anwesenden Journalisten, ob er genug Energie für weitere sechs Jahre als Staatsoberhaupt habe: "Sonst wäre ich nicht hier. Ich glaube, man unterschätzt die Energie, die einem die Position gibt"."

"La Vanguardia" (Barcelona)

(APA/sk)

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